Nach einer im Mai publizierten Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien geht die Einnahme des oralen Antidiabetikums Rosiglitazon (AVANDIA)
mit erhöhtem Herzinfarktrisiko einher (a-t 2007; 38: 61-2).1 Ein Beratergremium der US-amerikanischen
Arzneimittelbehörde FDA, das einen Monat später zusammenkommt, sieht auf der Basis der verfügbaren Literatur mehrheitlich ebenfalls ein
erhöhtes Risiko kardialer Ischämien unter Rosiglitazon.2 Die Metaanalyse hat nicht nur eine breite Diskussion insbesondere über die
Mängel bei der Zulassung von Diabetesmitteln ausgelöst, die auf der Basis von Surrogatparametern, nicht aber des klinischen Nutzens erteilt wird (a-t 2007; 38: 79-80).3,4 Sie hat jetzt auch drei weitere Metaanalysen zu dem Thema nach sich gezogen,5-
7 darunter eine zum kardiovaskulären Risiko des Glitazons Pioglitazon (ACTOS) von derselben Arbeitsgruppe, die sich bereits mit Rosiglitazon befasst
hatte.5
In diese Analyse werden 19 randomisierte Doppelblindstudien mit insgesamt 16.390 Diabetespatienten einbezogen. Es handelt sich ausschließlich um vom
Hersteller Takeda finanzierte Studien, deren Datenbasis den Autoren von Takeda überlassen wurde. Pioglitazon wird in diesen Studien mit Plazebo oder mit
anderen oralen Antidiabetika verglichen. Wie viele Untersuchungen veröffentlicht sind, bleibt unklar. 22 weitere, überwiegend unabhängig von
Takeda durchgeführte randomisierte Doppelblindstudien mit Pioglitazon werden ausgeschlossen, da zu diesen Arbeiten vollständige individuelle
Patientendaten nicht verfügbar sind. Kontakt zu den Studienautoren wurde jedoch nicht gesucht. Takeda ist an der Metaanalyse selbst zwar nicht beteiligt, hat
sie aber mit 25.000 Dollar finanziell unterstützt. Wie die Metaanalyse zu Rosiglitazon basiert auch die zu Pioglitazon überwiegend auf kleinen
Kurzzeitstudien, die primär auf Blutzuckerkontrolle angelegt sind und in denen kardiovaskuläre Komplikationen im Rahmen der unerwünschten
Effekte erfasst werden.5
Bei dem primären Endpunkt der Metaanalyse, der Kombination aus Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod, ergibt sich ein signifikanter
Unterschied zu Gunsten von Pioglitazon (Hazard Ratio [HR] 0,82; 95% Vertrauensbereich [CI] 0,72-0,94). Größtes Gewicht hat dabei die PROactive*-
Studie,8 die einzige abgeschlossene Endpunktstudie mit einem Glitazon. Sie fällt im primären Endpunkt negativ aus, in einem allen Anschein nach
nachträglich definierten sekundären Kombinationsendpunkt, der dem primären der Metaanalyse entspricht, wird jedoch ein nominell signifikanter
Vorteil für Pioglitazon im Vergleich mit Plazebo errechnet (a-t 2005; 36: 95-6).** In den übrigen in der
Metaanalyse ausgewerteten Studien zeigt sich insgesamt ein nichtsignifikanter Trend zu Gunsten von Pioglitazon (HR 0,75; 95% CI 0,55-1,02). Von
Sulfonylharnstoffen scheint sich das Glitazon in den ausgewerteten direkten Vergleichen mit insgesamt etwa 5.700 Patienten nicht zu unterscheiden (HR 1,02; 95%
CI 0,70-1,48).5
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PROactive = PROspective pioglitAzone Clinical Trial In macroVascular Events; RECORD =
Rosiglitazone Evaluated for Cardiac Outcomes and Regulation of Glycemia in Diabetes
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** |
Auch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA sieht den vom Hersteller und in der Lancet-Publikation8 so
genannten "main secondary endpoint" aufgrund der Chronologie - er wurde nach Abschluss der Studie bei der Behörde eingereicht - sowie aufgrund
der Umstände, dass er in einer primär negativen Studie hinzugefügt wurde, als post hoc definiert an und äußert Bedenken, dass hier
nachträglich ein "best case scenario"-Endpunkt ausgewählt wurde,9 mit anderen Worten Rosinen aus den Daten gepickt
wurden.
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Schwerwiegende Herzinsuffizienz, ein sekundärer Endpunkt der Metaanalyse, nimmt unter Pioglitazon signifikant zu (HR 1,41; 95% CI 1,14-1,76).
Werden schwerwiegende Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod gemeinsam ausgewertet, besteht kein Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen
(HR 0,96; 95% CI 0,85-1,09).5
Anders als die Autoren erachten wir die Daten der neuen Metaanalyse als ungeeignet, einen klinischen Nutzen von Pioglitazon im Hinblick auf ischämische
kardiovaskuläre Komplikationen nachzuweisen. Das positive Ergebnis in dem mutmaßlich post hoc definierten Kombinationsendpunkt der PROactive-
Studie, das auch von den Arzneimittelbehörden in Europa und den USA nicht als Nutzenbeleg anerkannt wird,9,10 bedarf der
Bestätigung,11 und zwar durch Studien, die primär auf einen solchen Endpunkt angelegt sind. Die metaanalytische Auswertung von
unerwünschten Effekten in randomisierten kontrollierten Studien - und somit von nicht systematisch erhobenen Daten - kann zwar ein Risikosignal setzen. Als
Nutzenbeleg reichen solche Daten jedoch nicht aus.
Eine weitere Metaanalyse bestätigt das erhöhte Risiko von Herzinfarkten (relatives Risiko [RR] 1,42; 95% CI 1,06-1,91) und Herzinsuffizienz (RR 2,09;
95% CI 1,52-2,88) unter Rosiglitazon in randomisierten Studien von mindestens zwölfmonatiger Dauer, die zwar nicht primär auf kardiovaskuläre
Komplikationen angelegt sein mussten, in denen aber zumindest geplant war, solche Ereignisse zu überwachen. Einen Hinweis auf erhöhte
kardiovaskuläre Mortalität finden die Autoren in diesen Studien jedoch nicht (RR 0,90; 95% CI 0,63-1,26).6 Eine dritte Metaanalyse von
mindestens zwölfmonatigen Studien, deren Einschlusskriterien allerdings unklar sind,*** bestätigt das erhöhte Herzinsuffizienzrisiko für beide
Glitazone (RR 1,72; 95% CI 1,21-2,42), findet aber ebenfalls keinen Hinweis auf erhöhte kardiovaskuläre Mortalität (RR 0,93; 95% CI 0,67-
1,29).7 Beide Autorengruppen sehen die bisherigen Daten jedoch als unzureichend an, um die langfristige kardiovaskuläre Prognose bzw.
Mortalität unter Glitazonen definitiv beurteilen zu können.6,7
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So werden angeblich nur randomisierte Doppelblindstudien einbezogen, ausgewertet wird jedoch auch die offen durchgeführte
RECORD*-Studie.
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Während das Antidiabetikum Rosiglitazon (AVANDIA) nach
bisherigem Kenntnisstand das Herzinfarktrisiko steigert, scheint dies nach Daten einer vom Hersteller Takeda finanzierten Metaanalyse bei dem Glitazon Pioglitazon
(ACTOS) nicht der Fall zu sein.
Beide Glitazone steigern das Risiko einer Herzinsuffizienz.
Wie sich die kardiotoxischen Effekte der Glitazone auf die kardiovaskuläre
Sterblichkeit von Patienten mit Typ-2-Diabetes auswirken, ist derzeit unklar.
Wir sehen keine Indikation für Glitazone außerhalb randomisierter
kontrollierter Studien. Mittel der Wahl bei Typ-2-Diabetes bleiben Metformin (GLUCOPHAGE u.a.), Glibenclamid (EUGLUCON N u.a.) und Insulin.
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