AUS FÜR GLITAZON-ANTIDIABETIKUM PIOGLITAZON (ACTOS U.A.)
Pioglitazon (ACTOS, in COMPETACT, TANDEMACT), das dritte und letzte Glitazonantidiabetikum, steht vor dem Aus. Troglitazon ist wegen Leberschädlichkeit hierzulande gar nicht erst auf den Markt gekommen (a-t 1997; Nr. 12: 127), und Rosiglitazon (AVANDIA u.a.) musste im vergangenen Jahr wegen kardialer Risiken aus dem Handel gezogen werden (a-t 2010; 41: 107). Jetzt untersagt die französische Arzneimittelbehörde AFSSAPS die Verschreibung von Pioglitazon wegen Gefährdung durch Harnblasenkarzinome.1 Einen Tag später rät das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom Gebrauch ab.2 Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hält hingegen einschränkende Maßnahmen derzeit nicht für erforderlich. Sie will auf der Basis einer im März 2011 begonnenen Neubewertung von Pioglitazon frühestens im Juli entscheiden.3
Die nationalen Behörden begründen ihre Maßnahmen mit einer großen retrospektiven französischen Kohortenstudie aus Daten der nationalen Krankenversicherung.4 Die Analyse lässt eine Zunahme von Harnblasenkarzinomen unter Pioglitazon erkennen und bestätigt Risikosignale aus Tierversuchen, der PROactive**-Studie (a-t 2005; 36: 95-6) und der Zwischenauswertung einer zehnjährigen Beobachtungsstudie, über die die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA bereits informiert hat5 (a-t 2010; 41: 108).
Die französische Untersuchung schließt knapp 1,5 Millionen Patienten mit Diabetes mellitus ein, von denen 155.000 Pioglitazon eingenommen haben. Nach den für den Vierjahreszeitraum von 2006 bis 2009 erfassten Daten ist das Risiko von Harnblasenkarzinomen unter Einnahme von Pioglitazon mäßig, aber signifikant erhöht (adjustierte Hazard Ratio [HR] 1,22; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,05-1,43) und liegt damit im Bereich der US-amerikanischen Erhebung,5 bei der das Ergebnis jedoch nicht signifikant ist (HR 1,2; 95% CI 0,9-1,5). In beiden Analysen steigt das Risiko mit der Dauer der Anwendung. Dies erhärtet den Verdacht auf einen kausalen Zusammenhang. Für andere Krebsarten (Lunge, HNO, kolorektal, Brust der Frau und Nieren) sowie für andere orale Antidiabetika findet sich kein erhöhtes Risiko.1
In einem Rote Hand Brief informiert Takeda Ärzte, derzeit keine Patienten neu auf Pioglitazon einzustellen.6 Patienten sollen die Einnahme nicht ohne ärztliche Beratung beenden. Ohnehin darf Pioglitazon laut G-BA-Beschluss seit April 2010 nicht mehr zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden (a-t 2010; 41: 129).
Wegen fehlender Nutzenbelege und des erhöhten Herzinsuffizienz- und Frakturrisikos haben wir wiederholt von Pioglitazon abgeraten (z.B. a-t 2008; 39: 115 und 2010; 41: 77-8). Im vergangenen Jahr wurden hierzulande über öffentliche Apotheken noch mehr als 600.000 Packungen mit Pioglitazon verkauft – erschreckend viel für ein Mittel, dessen klinischer Nutzen für den Patienten nicht belegt ist, –Red.
© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 8. Juli 2011