STERBLICHKEIT UNTER BIGUANID METFORMIN (GLUCOPHAGE U.A.) ERHÖHT? |
Während des Amerikanischen Diabeteskongresses1 im Juni dieses Jahres flammt die Diskussion über Risiken des Biguanid-
Antidiabetikums Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) erneut auf. In den 70er Jahren verschwanden Biguanide wegen häufiger lebensbedrohlicher
Milchsäureüberladung des Blutes (Letalität bis 90%) in den meisten Ländern vom Markt2 mit Ausnahme von Metformin, das als
weniger gefährlich gilt (s. auch a-t 8 [1977], 61; 3 [1978], 34). Jetzt geben sieben Todesfälle in US-amerikanischen Metformin-Studien, davon fünf
kardiovaskulärer Ursache, zu Bedenken Anlaß. Zwei kontrollierte Studien3 mit 921 Typ-II-Diabetikern und eine offene Anschlußstudie
vergleichen Metformin mit Plazebo bzw. dem Sulfonylharnstoff Glibenclamid (EUGLUCON N u.a.) allein oder in Kombination mit dem Biguanid. Alle Verstorbenen
hatten Metformin eingenommen.4 Offenes Studiendesign und Zusammenfassung von Daten verschiedener Studien erschweren die Beurteilung. Derzeit wird
die Sicherheit von Metformin auf Veranlassung der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA in einer weiteren Studie untersucht.5
Einige Diabetologen machen sich für eine "Renaissance" des Biguanids Metformin stark.6 Für Typ-II-Diabetiker sei die Senkung der
vermeintlich atherogenen Hyperinsulinämie bedeutsam. Bei strenger Beachtung der Kontraindikationen von Metformin mag durchaus eine Verbesserung der
Stoffwechsellage erheblich übergewichtiger Typ-II-Diabetiker möglich sein. Primär soll jedoch durch die Behandlung die erhöhte
kardiovaskuläre Mortalität gesenkt werden. Bislang ist nicht bewiesen, daß eine Erniedrigung des Blutzuckerspiegels dieses Risiko verringert. Im
Gegenteil: In der einzigen veröffentlichten Studie, die die Überlebenszeit als Endpunkt prüft, steigt die Gesamtsterblichkeit unter einem Biguanid
und dies nicht auf Grund von Laktazidosen. Unter Phenformin (außer Handel, früher DIPAR) sterben insgesamt und durch kardiovaskuläre
Ereignisse mehr als doppelt so viele Patienten im Vergleich zu Insulin (19% vs. 8% bzw. 15% vs. 6%). Insulin und Scheinmedikament unterscheiden sich trotz
verbesserter Blutzuckereinstellung hinsichtlich Sterblichkeit nicht.7
FAZIT: Nach Daten zweier kontrollierter und einer offenen Studie sterben unter dem Biguanid Metformin (GLUCOPHAGE u.a.) insgesamt und an
kardiovaskulären Ereignissen deutlich mehr Patienten mit Typ-II-Diabetes als unter Scheinmedikament oder Sulfonylharnstoff allein. Bis Studien vorliegen, die
klinischen Nutzen und langfristige Sicherheit des Biguanids belegen, erscheint uns unverändert Zurückhaltung bei der Verordnung von Metformin
ratsam.
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