WERBUNG FÜR CHININ (LIMPTAR N) BEI WADENKRÄMPFEN
Leser berichten uns, dass sie eine Broschüre der sich selbst als unabhängig bezeichnenden Deutschen Gesundheitshilfe e.V. zu Muskelkrämpfen erhalten haben. Darin wird Chinin (LIMPTAR N) als „Mittel der Wahl” bei Wadenkrämpfen dargestellt.1 Der Inhalt der Broschüre gleicht in Wort und Bild in Teilen einem Ratgeber2 des LIMPTAR-N-Anbieters Cassella-med. Auf Risiken des Mittels wird nicht hingewiesen.1
Chinin ist als Mittel gegen Wadenkrämpfe umstritten: Wegen zum Teil tödlicher Thrombozytopenien ist das Alkaloid in Australien und Neuseeland seit Jahren nicht mehr gegen nächtliche Wadenkrämpfe zugelassen, in Großbritannien und Frankreich ist es anders als hierzulande rezeptpflichtig und darf nur noch als Reserve nach nichtmedikamentösen Maßnahmen angewendet werden (vgl. a-t 2010; 41: 99).3 Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA erinnerte zuletzt im September 2012 daran, dass Chinin zur Behandlung und Prophylaxe von Wadenkrämpfen dort nicht zugelassen ist, weder sicher noch wirksam sei und mit schwerwiegenden lebensbedrohlichen Störwirkungen wie Thrombozytopenie, Überempfindlichkeit und QT-Verlängerung assoziiert ist.4
Aufgrund der Risiken hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 2010 ein Stufenplanverfahren für das ausschließlich bei nächtlichen Wadenkrämpfen zugelassene LIMPTAR N eingeleitet. Auf Nachfrage zum aktuellen Stand des Verfahrens teilt die Behörde mit, dass mit insgesamt 57 Meldungen zu unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit LIMPTAR N seit 1995 nur eine geringe Zahl von Verdachtsberichten bekannt sei. 27 betreffen Thrombozytopenien, darunter zwei schwerwiegende. Die Wirksamkeit erachtet das BfArM als belegt. Maßnahmen zur weiteren Verringerung des Anwendungsrisikos plant die Behörde dennoch.5
Wegen lebensbedrohlicher Störwirkungen sehen wir für das als Mittel gegen Wadenkrämpfe umstrittene Chinin (LIMPTAR N) keine Indikation bei subjektiv äußerst unangenehmen, aber an sich gutartigen nächtlichen Wadenkrämpfen, –Red.
© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 13. September 2013