PALIPERIDON (INVEGA) BEI SCHIZOPHRENIE
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"Neue Substanz - Innovative Galenik,"1 wirbt Janssen-Cilag für Paliperidon (= 9-Hydroxyrisperidon; INVEGA), den aktiven Hauptmetaboliten von Risperidon (RISPERDAL), der seit Juli 2007 und damit rechtzeitig vor
Ablauf des Patentschutzes der Muttersubstanz Ende 2007 zur Behandlung der Schizophrenie angeboten wird. Neu erscheint jedoch nur die
"Verpackung" des Metaboliten: eine nicht absorbierbare Tablette (OROS*-System) mit verzögerter Wirkstofffreisetzung, deren Hülle wieder
ausgeschieden wird.
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OROS = Oral Osmotic System: eine dreischichtige Tablette, die den Wirkstoff und eine osmotisch wirksame
Komponente mit Polymeren enthält. Der gequollene Inhalt wird durch zwei kleine Löcher freigesetzt.
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EIGENSCHAFTEN: Bei einer Halbwertszeit von 24 Stunden würde Paliperidon auch ohne OROS-System ein relativ
gleichmäßiges Fließgleichgewicht (Steady State) ausbilden. Ohne vorherige Dosistitration sollen 3 mg bis 12 mg Paliperidon einmal täglich
morgens eingenommen werden, da die Absorption nahrungsabhängig ist, entweder immer nüchtern oder stets zum Frühstück.2,3 Mit
nur drei Wirkstärken (3 mg, 6 mg, 9 mg) erscheint das OROS-System starr (keine Tablettenteilung erlaubt) und erschwert Dosierungen unter 3 mg, die laut US-
amerikanischer Arzneimittelbehörde FDA noch wirksam sein könnten.4
KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Drei lediglich sechswöchige Zulassungsstudien5-7 umfassen knapp 1.700 durchschnittlich 36- bis 39-
jährige Patienten mit akutem schizophrenen Schub und begrenzter Krankheitsschwere (PANSS** 70 bis 120) sowie mindestens einem Jahr
zurückliegender Diagnosestellung. Die Studienteilnehmer sind im Mittel im Alter von 26 Jahren erkrankt.4 In Dosierungen zwischen 3 mg und 15 mg
verringert Paliperidon die psychotische Symptomatik, gemessen mit PANSS, um 15 bis 21 Punkte gegenüber 5 Punkten unter Plazebo (primärer
Endpunkt).5-7 In den höheren Dosisgruppen entspricht der Effekt ungefähr dem von relativ niedrig dosiertem Olanzapin (ZYPREXA; täglich
10 mg), das in diesen Studien zusätzlich untersucht wird, mit dem ein direkter Vergleich jedoch nicht vorgesehen ist.2 Trotz der Kürze der Studien
brechen zwischen 34% und 57% der Teilnehmer vorzeitig ab.4 Direkte Vergleiche mit Risperidon oder anderen Antipsychotika fehlen.
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PANSS = Positive And Negative Syndrome Scale: 30 items, jeweils von 1 = absent bis 7 =
extreme.
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Nicht vollständig publizierte Daten aus einer kleinen Phase III-Studie mit über 65-Jährigen lassen geringere Wirksamkeit und häufigere
Störwirkungen in dieser Altersgruppe erkennen.2 Studien mit Kindern und Jugendlichen fehlen, ebenso ausreichende Langzeitdaten.2,8
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Das Störwirkungsprofil entspricht im Wesentlichen der Muttersubstanz Risperidon, einschließlich
dosisabhängiger extrapyramidalmotorischer Störwirkungen (bei 12 mg: 26%), malignem neuroleptischen Syndrom, tardiver Dyskinesie sowie Erhöhung
des Prolaktinspiegels (Männer: 70% versus 13% unter Plazebo).2,4 Erhöhte Transaminasen sind beschrieben.4 Mit kardialen
Störwirkungen wie Tachykardie (bis 14%) und QTc-Verlängerung (bis 5%), die laut FDA unerwartet deutlicher ausfällt als unter Risperidon, sowie mit
Gewichtszunahme (mehr als 7% des Körpergewichts: bis 9%) muss gerechnet werden.2,4,9 Duodenumruptur und gastrointestinale Blutung, die mit dem
OROS-System in Verbindung gebracht werden, sind aufgetreten.4 Das Retardprinzip ist bei Dysphagie, die auch als Störwirkung unter Antipsychotika
auftreten kann, sowie bei gastrointestinalen Strikturen ungeeignet.2,3
KOSTEN: Täglich 6 mg Paliperidon (INVEGA; 98 Retardtabletten zu 6 mg) sind mit 195 € pro Monat 10% teurer als täglich 4 mg Risperidon
(RISPERDAL, 178 € monatlich bei 100 Tabletten zu 4 mg).
Paliperidon (INVEGA), der aktive Hauptmetabolit von Risperidon (RISPERDAL), verringert in drei sechswöchigen plazebokontrollierten
Zulassungsstudien akute schizophrene Symptomatik.
Ausreichende Langzeit- und Vergleichsdaten sowie Daten zu Kindern und
Jugendlichen fehlen.
Störwirkungen wie limitierende stark dosisabhängige
extrapyramidalmotorische Symptome entsprechen denen von Risperidon. Weil sich die Tabletten nicht auflösen, sind Kontraindikationen wie gastrointestinale
Strikturen zu beachten.
Das Risperidonpatent läuft Ende 2007 ab. Hierin sehen wir den eigentlichen
Grund für die Markteinführung. Wir raten von der Scheininnovation ab, die unseres Erachtens ohne direkten Vergleich mit der Muttersubstanz Risperidon
nicht hätte zugelassen werden dürfen.
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