Bis zu 40% der Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit leiden an einer Claudicatio intermittens, bei der die Gehstrecke typischerweise
durch Schmerzen eingeschränkt ist. Die Betroffenen haben bei meist ursächlicher Atherosklerose ein hohes kardiovaskuläres Risiko.1,2
Daher sollen nach Leitlinien1,3 das Rauchen aufgegeben, ein erhöhter Blutdruck gesenkt sowie ein Statin und ein Thrombozytenaggregationshemmer
eingenommen werden. Nach metaanalytischer Auswertung allerdings kleiner Patientenzahlen lässt sich die Gehfähigkeit durch Gehtraining ungefähr
um 150% verbessern.4
Eine "Verdoppelung der Gehstrecke"5 bei Claudicatio intermittens verspricht jetzt die Werbung für den bereits 1988 in Japan und 1999 in
den USA zugelassenen Phosphodiesterase-III-Hemmer Cilostazol (PLETAL), der seit
Anfang des Jahres auch in Deutschland auf dem Markt ist. Bislang propagierte medikamentöse Therapien, mit denen die Gehstrecke bei Claudicatio
verlängert werden soll, sind nicht gut belegt, auch das umstrittene Pentoxifyllin (TRENTAL u.a.) wird in dieser Indikation nicht mehr empfohlen.3,6
EIGENSCHAFTEN: Das Chinolonderivat Cilostazol hemmt reversibel die Phophodiesterase III sowie die Thrombozytenaggregation und
wirkt gefäßerweiternd und positiv inotrop. Der genaue Wirkmechanismus ist unklar. Cilostazol wird hepatisch vor allem über CYP3A4, geringer
über CYP2C19 verstoffwechselt und vorwiegend renal ausgeschieden. Es ist daher bei mäßigen und schweren Leberfunktionsstörungen
kontraindiziert, ebenso bei einer Kreatininclearance unter 25 ml/min oder bei Therapie mit Hemmstoffen der betroffenen CYP 450 Isoenzyme wie Erythromycin
(ERYHEXAL u.a.) oder Omeprazol (ANTRA u.a.).7 Die Tagesdosis beträgt 200 mg. Bei einer Halbwertszeit von elf Stunden wird ein steady state nach
mehrtägiger Einnahme erreicht. Innerhalb von vier Tagen nach Absetzen soll die Aggregationsfähigkeit der Thrombozyten ohne Rebound wieder
hergestellt sein.7-9
KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Der Zulassung liegen acht plazebokontrollierte, überwiegend zusammen mit Firmenmitarbeitern publizierte 12- bis 24
-wöchige Studien10-15 mit insgesamt 2.700 Patienten zugrunde, deren stabile Claudicatio intermittens ohne Ruheschmerz und ohne Ulzerationen
(Stadium Fontaine II) länger als sechs Monate besteht.7,9 In zwei Studien wird Cilostazol zusätzlich mit Pentoxifyllin
verglichen.7,10
Eingeschlossen sind vorwiegend ältere Männer, jeder zweite mit Bluthochdruck, jeder vierte mit Diabetes mellitus, fast jeder zweite raucht. Angaben zur
Behandlung der Begleiterkrankungen fehlen weitgehend. Gehtraining wird nicht angeboten.7,10-12 Bis auf eine Studie, in der täglich bis zu 81 mg
Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) eingenommen werden dürfen,10 sind etablierte Thrombozytenaggregationshemmer nicht gestattet.
Patienten mit kardialen Vorerkrankungen wie symptomatischen Arrhythmien oder Herzinsuffizienz sowie mit erhöhtem Blutungsrisiko sind
ausgeschlossen.7,16
Bei bis zu sechs primären Endpunkten, teilweise ohne Adjustierung für multiples Testen, orientiert sich die Zulassung vorrangig an der maximalen
Gehstrecke, die mit unterschiedlichen Laufbandtechniken ermittelt wird.7,9 Nur in einer der acht Zulassungsstudien und nur wenn der in solchen
Studien bedeutende Plazeboeffekt3 unberücksichtigt bleibt, wird die in der Werbung5 behauptete Verdoppelung der maximalen Gehstrecke
erreicht. Bei durchschnittlichen Ausgangswerten von 120 m bis 279 m beträgt die durchschnittliche Änderung der Gehstrecke unter 200 mg Cilostazol
nach Abzug des Plazeboeffektes minus 2 m bis plus 106 m.7 Der gepoolte Zugewinn beträgt real plus 20%.9 Nach Einschätzung der
US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA fehlen überzeugende Belege, dass Cilostazol wirksamer ist als Pentoxifyllin: Zwar ist es Pentoxifyllin in einer
veröffentlichten Untersuchung10 überlegen, nicht jedoch in einer unveröffentlichten Negativstudie, in der es sich zudem nicht von Plazebo
unterscheidet.7 Pünktlich zur europäischen Markteinführung von Cilostazol erscheint ein Cochrane-Review17 mit positiver
Bewertung des Wirkstoffs, in dem wir die Berücksichtigung dieser Negativstudie vermissen. Nach einer herstellergesponserten Metaanalyse soll sich die
schmerzfreie Gehstrecke ähnlich wie die Maximalwerte verbessern: um 40% unter Plazebo und 67% unter Cilostazol.16
Nur drei von acht Skalen eines zur Ermittlung der Lebensqualität u.a. verwendeten Tests lassen bei gepoolter Auswertung eine Verbesserung
erkennen.16 Da zumindest in den zwei großen Studien auch hier keine Korrektur für multiples Testen erfolgt, stellen Experten der FDA die
Signifikanz dieser Werte infrage.7
Veröffentlichte Langzeitdaten zu Wirksamkeit und Sicherheit sowie zu klinischen Endpunkten wie notwendige Revaskularisierungen oder Amputationen
fehlen. Unklar bleiben Nutzen und Sicherheit für jene Patienten, für die Cilostazol nach Leitlinien infrage kommt,6 die also Standardtherapie
einschließlich eines etablierten Thrombozytenaggregationshemmers erhalten,18 die aber kein Gehtraining durchführen können oder wollen.
Ebenfalls unbekannt ist, ob zusätzlich zum Gehtraining eingenommenes Cilostazol nützt.
STÖRWIRKUNGEN: Jeder Sechste unter Cilostazol beendet die Studien wegen Störwirkungen vorzeitig. Etwa jeder Dritte leidet an
Kopfschmerzen oder Durchfall/abnormen Darmentleerungen, jeder Zehnte an Herzklopfen oder Schwindel. Auch Tachykardie (4%) und Arrhythmie (1%) sind
signifikant häufiger als unter Plazebo.7 Brustschmerzen (6%) und Ödeme (7%) kommen ebenfalls häufig vor.
7% der Patienten erleiden Blutungen, darunter auch Netzhautblutungen.7 Komedikation mit Thrombozytenaggregationshemmern ist so wenig geprüft,
dass die Daten nicht ausreichen, um ein erhöhtes Blutungsrisiko auszuschließen.
Blutschäden wie Thrombozytopenie und Leukopenie sind zwar selten, Todesfälle nach Panzytopenie sind aber aufgetreten.7,9 Auch das
lebensbedrohliche STEVENS-JOHNSON-Syndrom ist beschrieben.7
Unter Behandlung mit anderen positiv inotrop wirkenden Phosphodiesterase-III-Hemmern (Milrinon [COROTROP], Vesnarinon) war die Mortalität
erhöht.19,20 Auch für Cilostazol wird in zwölf gepoolten Studien bezogen auf 100 Patientenjahre eine numerisch erhöhte Sterberate
von 2,5 versus 1,9 unter Plazebo festgestellt. Sie ist dosisabhängig und vorwiegend kardiovaskulär bedingt. Im EKG nehmen Herzfrequenz und QTc-Zeit
dosisabhängig zu.7
KOSTEN: Für Cilostazol (PLETAL) sind bei einer Tagesdosis von 200 mg monatlich 68 € aufzuwenden (98 Tabletten: 111,49 €).
Der seit Januar 2007 bei Claudicatio intermittens angebotene Phosphodiesterase-
III-Hemmer Cilostazol (PLETAL) steigert gegenüber Plazebo die maximale Gehstrecke in acht 12- bis 24-wöchigen Studien um durchschnittlich 20%. Langzeitdaten, insbesondere auch zur kardialen Sicherheit, sind nicht publiziert.
Erzielt wird dieses dürftige Ergebnis bei Patienten, denen eine
standardgemäße Behandlung mit einem Thrombozytenaggregationshemmer wie Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN u.a.) und Gehtraining
überwiegend vorenthalten wurden.
Cilostazol erhöht das Blutungsrisiko. Die Sicherheit des Mittels bei
Komedikation mit etablierten Thrombozytenaggregationshemmern ist unzureichend geprüft.
Da Nutzen und Sicherheit von Cilostazol bei Patienten, die nach heutigen
Standards behandelt werden, nicht bekannt sind, raten wir von der Anwendung ab.
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