BOLUS-FIBRINOLYTIKUM TENECTEPLASE (METALYSE) |
Mit Tenecteplase (METALYSE) wird seit März das sechste Fibrinolytikum angeboten. Tenecteplase ist EU-weit zur Thrombolyse bei akutem
Herzinfarkt zugelassen und wird ähnlich wie Anistreplase (APSAC, EMINASE) und Reteplase (RAPILYSIN) als Bolus injiziert. Die Bolusinjektion von
Thrombolytika soll praktikabler sein - ein Argument, das von der Werbung besonders für die Prähospital-Lyse beansprucht wird.
EIGENSCHAFTEN: Tenecteplase ist eine gentechnisch veränderte Form des Gewebs-Plasminogen-Aktivators (tPA). Es
unterscheidet sich vom physiologisch vorkommenden tPA (Alteplase [ACTILYSE]) durch Modifikation an drei Stellen des Moleküls. Seine Plasmahalbwertszeit
ist länger, seine Fibrinspezifität - gesteigerte Wirksamkeit in Gegenwart von Fibrin und damit möglicherweise eine gewisse Thrombusspezifität -
ist höher als die von tPA. Wie Alteplase wird Tenecteplase zur Prophylaxe einer Rethrombosierung mit Heparin (LIQUEMIN N u.a.) kombiniert.
KLINISCHE WIRKSAMKEIT: An der auf Prüfung der therapeutischen Äquivalenz angelegten Zulassungsstudie (ASSENT*-2) nehmen knapp
17.000 Patienten mit akutem Herzinfarkt teil. Sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein, eine obere Altersbegrenzung gibt es nicht. Der Beginn der Beschwerden
darf bei Randomisierung nicht länger als sechs Stunden zurückliegen. Die Patienten erhalten je nach Körpergewicht 30 mg bis 50 mg Tenecteplase
intravenös als Bolus oder bis zu 100 mg Alteplase als Infusion (sog. akzeleriertes Schema). Für alle Patienten sieht das Studienprotokoll
Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) und für 2 bis 3 Tage aPTT-adjustierte Heparin-Infusion vor (aPTT etwa 1,5- bis 2,5-fach verlängert). Der
primäre Endpunkt, die Gesamtmortalität nach 30 Tagen, unterscheidet sich nicht (Tenecteplase 6,18%, Alteplase 6,15%; relatives Risiko [RR]:
1,004).1
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Nichtzerebrale Blutungen sind unter Tenecteplase seltener (26% vs. 29%). Es werden signifikant weniger
Transfusionen benötigt. Schlaganfälle scheinen unter der Neuerung etwas häufiger (1,78% vs. 1,66%) vorzukommen, nicht jedoch intrazerebrale
Blutungen (0,93% vs. 0,94%). Diese Rate liegt allerdings höher als die unter Alteplase-Infusion in älteren Studien (0,72% bis 0,87%).2 Nach einer
mehr als 100.000 Patienten umfassenden aktuellen Metaanalyse randomisierter Studien einschließlich ASSENT-2 geht die Injektion eines Thrombolytikums als
Bolus mit Anstieg intrazerebraler Blutungen um 25% einher (vgl. a-t 1995; Nr. 9: 89). Auch in ASSENT-2 schließt
die obere Grenze des 95%igen Vertrauensbereichs einen solchen Risikoanstieg nicht aus. Dieser Anstieg würde zwei zusätzliche Hirnblutungen pro 1.000
behandelte Patienten bedeuten (0,8% statt 0,6%). Für den Fall, dass sich die Bolusthrombolyse allgemein durchsetzen sollte, veranschlagen die Autoren
für Nordamerika 1.000 zusätzliche zerebrale Blutungen pro Jahr.3
KOSTEN: 10.000 U (= 50 mg) Tenecteplase (METALYSE) werden an Krankenhausapotheken zum Preis von 2.390,53 DM verkauft, 100 mg Alteplase
(ACTILYSE) kosten 2.111,39 DM (ab 5 Flaschen, inkl. MwSt.).4 In Österreich fehlen kostengünstigere Großpackungen: Die
Apothekeneinkaufspreise für 50 mg Tenecteplase bzw. 100 mg Alteplase betragen 19.266 ATS bzw. 18.876 ATS (inkl. MwSt.).
Bei gleicher 30-Tage-Sterblichkeit nach akutem Herzinfarkt (jeweils 6,2%) bietet
das neue als Bolus injizierte Thrombolytikum Tenecteplase (METALYSE) keinen Wirksamkeitsvorteil gegenüber Alteplase (ACTILYSE) als Infusion.
Der möglicherweise größeren Praktikabilität der Bolusinjektion
steht das unter Bolusthrombolytika potenziell erhöhte Risiko der gefürchteten Hirnblutungen gegenüber.
|
| © 2001 arznei-telegramm |