ZULASSUNG UND MARKTÜBERWACHUNG - WO BLEIBT DIE QUALITÄT? |
Anfang des Jahres hat die europäische Arzneimittelbehörde EMEA das alkylierende Zytostatikum Temozolomid (TEMODAL)
zur Behandlung maligner Glioblastome zugelassen.1 Praktisch gleichzeitig lehnen in den USA elf Berater der Arzneimittelbehörde FDA bei einer
Enthaltung die Zulassung von Temozolomid ab.2 Beide Entscheidungen beruhen auf denselben offenen Studien. Die erste eignet sich nicht zur
Nutzenbeurteilung. Eine Vergleichsgruppe fehlt. In der größeren Untersuchung wird als primärer Endpunkt der Einfluss von Temozolomid und
Procarbazin (NATULAN) auf progressionsfreies Überleben verglichen. Für Temozolomid ergibt sich eine Ansprechdauer von 85 Tagen, für
Procarbazin von 99 Tagen. Die FDA errechnet für auswertbare Patienten eine Ansprechrate von 4,7% für Temozolomid und 3% für
Procarbazin.2 Ein Biometriker aus dem nationalen Krebsinstitut interpretiert den geringen Erfolg als Zeichen dafür, dass auch Procarbazin für
diese Indikation möglicherweise nutzlos sei.2 Auch die europäische Zulassungsbehörde räumt ein, dass das Studiendesign ungeeignet
sei, eine Überlegenheit gegen Procarbazin zu belegen.1 Etablierte chemotherapeutische Regime für Patienten mit malignen Glioblastomen, die
bislang lediglich eine Lebenserwartung von 12 (bis 24) Monaten nach Diagnosestellung haben, fehlen. Die europäische Zulassung von Temozolomid erfolgte
voreilig und ohne den gesetzlich geforderten Nachweis einer Wirksamkeit.
Statt um die Qualität der Zulassung wetteifern die Zulassungsbehörden im Interesse der Warenanbieter um Schnelligkeit. Tempo geht jedoch zu Lasten
der Qualität (vgl. a-t 4 [1998], 37). Die FDA musste in den Fünfjahreszeiträumen 1989 bis 1993 127
Arzneimittel und von 1994 bis 1998 bereits 172 neue Produkte aus Sicherheitsgründen vom Markt nehmen.3
In der Phase nach der Vermarktung ist das US-amerikanische System dem deutschen deutlich jedoch überlegen. Die FDA überprüft
Produktionsstätten und überwacht konsequent Produktinformationen und Werbung. Hierzulande stört es die für die Überwachung von
Firmen zuständigen Landesbehörden hingegen nicht, wenn Unternehmen fortgesetzt den Wortlaut der Zulassung verfälschen - etwa wenn Berlin-
Chemie das gegen leichte bis mäßige Schmerzen zugelassene Dexketoprofen (SYMPAL) gegen "akute heftige
Schmerzen" bewirbt4 (a-t 5 [1999], 50).
In den USA verhängt das Justizministerium gegen die Firmen Roche und BASF jetzt eine Strafe von insgesamt 1,3 Milliarden DM, weil sie im Verbund mit
Rhone-Poulenc den Wettbewerb im Vitamin-Sektor eingestellt und sich kartellartig (zusammen insgesamt 75% des Weltmarktes) auf höhere Preise
geeinigt haben.5
In Deutschland kann sich die zum gleichen BASF-Konzern gehörende Knoll GmbH des ungebrochenen Wohlwollens der Überwachungsbehörde
erfreuen. Trotz 500.000-fachem Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Werbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel bei Laien (für den
Appetithemmer Sibutramin [REDUCTIL], vgl. a-t 4 [1999], 41) belässt es die Bezirksregierung
Rheinland-Pfalz bei einer freundlichen Abmahnung. Begründung: Die Firma sei bislang nicht auffällig geworden. Diese Rechtsauffassung dürfte
beispielsweise dem Autofahrer schwer zu vermitteln sein, der bei Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung sein Bußgeld bezahlen muss - auch
wenn er zuvor unauffällig war.
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