MISSBRAUCH UND ZNS-STÖRUNGEN UNTER OPIOID TRAMADOL (TRAMAL U.A.) |
Das Suchtpotential des schwachen Opioid-Analgetikums Tramadol (TRAMAL u.a.), das auf normalem Rezept verordnet werden kann, wird gemeinhin
als gering eingeschätzt.
Ein Jahr nach Markteinführung in den USA liegen der Arzneimittelbehörde FDA 115 Berichte über Mißbrauch, Entzugserscheinungen oder
gezielte Überdosierung vor. In einem "Dear-Doctor"-Letter warnt der Hersteller jetzt US-amerikanische Ärzte. Tramadol eignet sich nicht für
Schmerzpatienten mit Suchterkrankungen oder Opioidabhängigkeit in der Vorgeschichte. Es kann physische Abhängigkeit wieder
"aufflackern" lassen.1,2
Vor allem Patienten, die neben Tramadol trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, MAO-Hemmer, Neuroleptika oder andere die
Krampfschwelle senkende Arzneimittel einnehmen oder bei denen das Krampfrisiko z.B. durch Schädel-Hirn-Verletzung erhöht ist, gehen durch das
Analgetikum ein größeres Risiko epileptischer Anfälle ein. Die FDA überblickt 83 Berichte. Die Anfälle können auch nach erster
Anwendung in üblicher Dosierung auftreten.1 Eine Tagesdosis von 400 mg darf nicht überschritten werden. 1,2 Grünenthal
erachtet die US-amerikanischen Warnungen als "Angleichung an die über 15jährige Markterfahrung in Deutschland".3
Psychiatrische Störungen machen 10% der Verdachtsmeldungen zu Tramadol an das britische Committee on Safety of Medicines aus. 15 Patienten reagieren
mit Verwirrtheit oder Halluzinationen nach Standarddosen per os.4
Dem NETZWERK liegen fünf Berichte zu Abhängigkeit und Dauergebrauch von Tramadol vor. Eine 68jährige leidet nach
achtjähriger Einnahme unter Halluzinationen, Fratzensehen, Angst und Alpträumen. Die Erscheinungen klingen nach Absetzen ab (NETZWERK-Bericht
7127). Eine 88jährige muß mit Psychose und vollständigem Verwirrungszustand einen Tag nach dreimaliger Injektion stationär aufgenommen
werden (6961). Fünf Kollegen berichten uns über Kreislaufreaktionen auf Tramadol wie Blutdruckabfall, Schweißausbruch und Kollaps.
FAZIT: Ein Jahr nach Markteinführung in den USA warnt der Tramadol (TRAMAL u.a.)-Hersteller Ärzte vor potentiellem Mißbrauch und
Krampfanfällen bei Risikopatienten. In Großbritannien fallen psychische Veränderungen unter dem Opioidanalgetikum einschließlich Verwirrtheit
und Halluzinationen auf.
1 | FDA: J. Am. Med. Ass. 275 (1996), 1224 |
2 | Scrip 2120 (1996), 19 |
3 | Schreiben der Grünenthal GmbH vom 24. April 1996 |
4 | Current Problems 21 (1995), 2 |
|
© 1996 arznei-telegramm |