WAS TUN BEI NÄCHTLICHEN WADENKRÄMPFEN? |
Sieben von zehn Erwachsenen kennen schmerzhafte nächtliche Muskelkrämpfe der Bein- oder Fußmuskulatur aus eigener Erfahrung.
Sie treten ohne ersichtliche Ursache auf oder nach ungewohnter Muskelarbeit, Salzverlust, Dehydratation, Dialyse u.a. sowie als unerwünschte Folge einer
Arzneitherapie, beispielsweise mit Neuroleptika, Diuretika oder Betarezeptorenblockern.
Akute krampfartige Beschwerden lassen sich durch aktive Dorsalbeugung des Fußes beheben. Zur Vorbeugung nächtlicher Wadenkrämpfe wird
empfohlen, die Beine warmzuhalten und eine Spitzfußstellung zu vermeiden. "Rückenschläfer" stellen hierzu die Fußsohlen gegen ein
Widerlager (z.B. Sandsack), während "Bauchschläfer" die Füße über das Matratzenende ragen lassen können (a-t 4
[1981], 39). Massage und Bein/Fußgymnastik sollen bei schmerzhaften oder häufigen Krämpfen hilfreich sein.
Medikamentöse Behandlungsversuche umfassen Magnesium (MAGNESIUM-DIASPORAL N u.a.), Kalziumantagonisten, Vitamin E, Benzodiazepine oder Chinin
(LIMPTAR N u.a.) u.a. Kontrollierte Studien liegen vor für Carbamazepin (TEGRETAL u.a.)1, Levodopa/Benserazid (MADOPAR)2-4,
Bromocriptin (PRAVIDEL u.a.)5 und Clonazepam (RIVOTRIL u.a.)6. Unkontrollierte Versuche existieren für Clonidin (CATAPRESAN u.a.),
Baclofen (LIORESAL u.a.), Opiate und Betablocker. Alle Studien dokumentieren einen hohen Plazeboeffekt, so daß unkontrollierte Studien ohne Aussagekraft
bleiben.
Die ersten Erfahrungsberichte mit Chinin stammen aus den 40er Jahren. Dennoch konnte ein Nutzen bislang nicht abgesichert werden. Eine kürzlich
veröffentlichte Metaanalyse von sechs Studien läßt eine Überlegenheit von Chinin gegen Plazebo erkennen.7 Die amerikanische
Gesundheitsbehörde FDA hält hingegen die Verwendung von Chinin-Präparaten gegen nächtliche Muskelkrämpfe nicht für
ausreichend begründet.8 Den schwachen Nutzenbelegen stehen Störwirkungen gegenüber wie Abfall der Blutplättchenzahl,
allergische Reaktionen, Herzrhythmusstörungen einschließlich chaotischer Kammertachykardie (Torsade de pointes)9 und Tod.
Dem NETZWERK gingen für die Chinin-Theophyllinethylendiamin-Kombination LIMPTAR Berichte über Schüttelfrost (3490), Zeichen
einer allergischen Sofortreaktion (3512), intravasale Hämolyse (4999) sowie schweres makulöses allergisches Exanthem mit allergischen Ödemen an
Händen und Unterarmen (5762) zu. Eine Blutungsanämie als Folge eines wahrscheinlich durch LIMPTAR Tabletten ausgelösten Geschwürs
der Speiseröhre verlief lebensbedrohlich (1164).
FAZIT: Wadenkrämpfe lassen sich durch erzwungene Dorsalbeugung des Fußes beheben. Geeignete Schlafpositionen helfen,
Spitzfußstellungen zu verhindern und Wadenkrämpfen vorzubeugen. Oft werden Magnesium (MAGNESIUM-DIASPORAL N u.a.), Chinin (LIMPTAR N
u.a.), Clonazepam (RIVOTRIL) oder Carbamazepin (TEGRETAL u.a.) zur Behandlung empfohlen. Medikamente haben bei Wadenkrämpfen einen hohen
Plazeboeffekt. Die Wirksamkeit ist wenig gesichert, so daß Verträglichkeitsaspekte Gewicht gewinnen (z.B. Chinin).
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