Johanniskraut doch mehr als ein "Edelplazebo"? "Meta-Analyse bestätigt Nutzen von Hypericum bei moderater
Depression" titelt die Ärzte Zeitung am 6. August 1996. Anlaß bietet die Auswertung 23 überwiegend vier- bis sechswöchiger
randomisierter klinischer Studien, die Johanniskraut (Hypericum perforatum)-haltige Präparate mit Plazebo oder einem synthetischen Antidepressivum bzw.
Benzodiazepin bei über 1.700 ambulanten Patienten vergleichen (LINDE, K. et al.: Brit. Med. J. 313 [1996], 253). Die deutschen und amerikanischen Autoren
schließen in ihre Analyse auch Studien aus Zeitschriften ohne hinreichende Qualitätsprüfung ein (Peer-Review, vgl. a-t 6 [1996], 56) sowie Arbeiten von Experten, die auf Firmensymposia auftreten, interpretieren die Daten selbst jedoch
zurückhaltend: Es gebe "gute Hinweise, daß Hypericum Plazebo in der Behandlung einiger depressiver Erkrankungen überlegen ist". Bei
der Vielzahl der einbezogenen Produkte (10, darunter 2 Kombinationspräparate) und Dosierungen (0,4 bis 2,7 mg Hypericin*/Tag) bleibe unklar, wo die optimale
Dosis liege und ob Johanniskraut für bestimmte depressive Zustände besonders nützlich oder die verschiedenen Präparate gleichwertig seien.
Eine in der Metaanalyse angedeutete Gleichwertigkeit mit synthetischen Antidepressiva lasse sich wegen der geringen Zahl der Patienten nicht absichern. In allen
vier Vergleichsstudien von Hypericum-Monopräparaten mit trizyklischen Antidepressiva werden die synthetischen Mittel in Tagesdosen "unter oder am
unteren Rand des üblichen Bereiches" dosiert, moniert ein begleitendes Editorial. Zudem sei die Qualität der eingeschlossenen Studien
unterschiedlich. Die Schwere der behandelten Depressionen bleibt meist offen (DE SMET, P. A. G. M.: Brit. Med. J. 313 [1996], 241). Die überwiegende Zahl
der Patienten dürfte soweit erkennbar depressive Verstimmungen, aber keine Depressionen gehabt haben. Mit unerwünschten Effekten
wie Müdigkeit, allergischen Reaktionen und Magen-Darm-Beschwerden bei jeweils 0,4% bis 0,6% der Patienten scheint das beim Tier phototoxisch wirkende
(a-t 10 [1995], 102) Johanniskraut relativ gut verträglich zu sein. Johanniskraut-Präparate kosten pro Tag
um 1,50 DM bis 2 DM etwa gleich viel wie preiswerte Standardtrizyklika (z.B. Amitriptylin [150 mg/Tag; AMINEURIN u.a.]).
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Die verbreitete "Standardisierung" von Johanniskraut auf den Bestandteil Hypericin ist hinfällig, da keine gesicherte
Dosiswirkungsbeziehung zwischen Hypericin und der Wirkung von Johanniskrautextrakt besteht (Pharm. Ztg. 140 [1995], 3861).
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