ZECKENALARM DURCH ÄRZTEKAMMER ... aber kein Hinweis auf die häufigeren Borreliosen |
...Früher habe ich großzügig zur FSME-Impfung geraten. In der Zwischenzeit halte ich die von Zecken übertragene
Borreliose klinisch für viel relevanter als die FSME, zumal nach meinem Wissensstand bei dem bei uns vorkommenden Virustyp praktisch keine Todesfälle
beschrieben sind und auch bleibende Schäden extrem selten sind...
Ich traute meinen Augen nicht, als ich heute morgen eine Pressemeldung im Offenburger Tageblatt las. Danach schlägt die Ärzteschaft in Baden-
Württemberg "Alarm!" und rät dringend zu einer FSME-Impfung für alle, die sich im Freien aufhalten oder für ein Wochenende in den
Schwarzwald fahren usw. Sie warnt sogar vor den tödlichen Gefahren einer FSME. Daß Zecken viel häufiger Borrelien übertragen, welche
gravierende, chronische Erkrankungen zur Folge haben können (a-t 11 [1987], 96; 6 [1989], 56), kam bei den Journalisten offenbar überhaupt nicht
an.
Ich verstehe die Welt nicht mehr. Entweder haben die Arzneimittelkommission und das BGA leichtfertig gewarnt und leichtfertig zur engen Impfindikation geraten,
oder die Landesärztekammer hat sich leichtfertig vor den Wagen einer Marketingaktion der Firma Immuno spannen lassen.
Dr. med. U. TRAUNECKER (Arzt f. Allgemeinmed., Betriebsmed.)
D-77718 Gengenbach
Wer lügt oder verdreht hier die Tatsachen? Wem soll ich glauben Ihren Veröffentlichungen oder diesen hier (Konsensuspapier FSME-
Impfung 1994 der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und der Bayerischen Gesellschaft für Immun-, Tropenmedizin und Impfwesen e.V.)?
Dr. KAMPFFMEYER (Hautärztin)
D-85221 Dachau
In den letzten Wochen konnte man mehrfach in der Laienpresse über die Empfehlung zur FSME-Impfung lesen. ... Gibt es neuere epidemiologische Ergebnisse,
die eine Änderung der Einstellung zur FSME-Impfung nahelegen und die in Ihren mehrfach warnenden Stellungnahmen noch nicht berücksichtigt sind
...
Dr. med. R. BURR (Allgemeinmediziner)
D-72145 Hirrlingen
Ist bei den gegebenenfalls zur FSME-Impfung anstehenden Patienten der Einsatz des FSME-Impfstoffes ENCEPUR der Firma Behring für die aktive
Immunisierung unbedenklich zu empfehlen? Sollte für die Auffrischimpfungen nach erfolgter Grundimmunisierung der Behring-Impfstoff eingesetzt werden oder
sollte generell auf weitere aktive Immunisierungen gegen FSME verzichtet werden und im Bedarfsfall bei Zeckenbiß in gefährdeter Region
auf die passive Immunisierung zurückgegriffen werden?
Dr. med. A. FUCHS (Kinderarzt)
D-40597 Düsseldorf-Benrath
Die Zeckensaison beginnt etwa im April eines Jahres mit einer Häufung von Infektionen im Mai und Juni. Für die in der kalten Jahreszeit
vorzunehmende Aktivimmunisierung gegen FSME wäre es im Sommer kurz vor Ferienbeginn zu spät. Mit einem hinreichenden Impfschutz
ist etwa zwei Wochen nach der zweiten Impfung zu rechnen bei den üblichen Impfungen an den Tagen 0 und 28 also sechs Wochen nach
Impfbeginn, bei Schnellimmunisierung mit ENCEPUR an den Tagen 0 und 7 (dritte Impfung am Tag 21) bereits nach drei Wochen. Zurückhaltung erscheint
unverändert geboten (vgl. a-t 1 [1994], 2), da das Risiko eines Impfschadens möglicherweise das
Erkrankungsrisiko übertrifft. Hinweise auf eine Zunahme des FSME-Erkrankungsrisikos in Baden-Württemberg im Vergleich zu Bayern fehlen.
Anderslautende Mitteilungen sind nicht durch Zahlenangaben begründet. In der Bundesrepublik ist mit 60 bis 120 Frühsommer-Meningoenzephalitiden im
Jahr zu rechnen (a-t 5 [1993], 49). Auch in Endemiegebieten soll nur eine von etwa 100 bis 2.000 Zecken das Virus
tragen. Selbst der Biß einer infizierten Zecke bleibt überwiegend ohne Folgen oder verursacht nur leichte grippeartige Beschwerden. Nur etwa jedem
zehnten Biß einer infizierten Zecke folgen Symptome des Zentralnervensystems.1 Differentialdiagnostisch ist die Borreliose zu berücksichtigen. Das Risiko
einer Infektion mit Borrelien, die antibiotisch behandelt werden kann, ist 500- bis 1000mal größer (a-t 6 [1991],
50).
Von insgesamt 153 Meldungen an das NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION entfallen 89, darunter viele schwerwiegende
neurologische Komplikationen, auf den Marktführer FSME-IMMUN (Immuno), 37 auf Impfstoffe der Behringwerke (ENCEPUR u.a.) und 4 auf FSME-
IMPFSTOFF SSW (Sächsische Serumwerke, nicht mehr im Handel, Produkt war identisch mit Behring-Vakzine). Für die übrigen fehlt die Angabe des
Herstellers. Auffällig häufige Lokalreaktionen einschließlich Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen und erhöhte Temperatur nach Erstimpfung mit
ENCEPUR werden auf dem im Vergleich zum Immuno-Impfstoff höheren Antigengehalt zurückgeführt.
Gegen die Verwendung des FSME-Immunglobulins (FSME-BULIN S, FSME-IMMUNGLOBULIN BEHRING) spricht zum einen dessen ungenügender
Schutz, der bei etwa 60% liegen soll. Zum anderen kann das Immunglobulin einen schweren Krankheitsverlauf provozieren (a-t 12 [1993], 136), Red.
1 Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Dtsch. Ärzteblatt 89 (1992), C-1460
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