BRUSTKREBS UNTER HORMONERSATZ ...Trend zu erhöhter Sterblichkeit, auch Tibolon (LIVIELLA) schädlich |
Ein erhöhtes Brustkrebsrisiko durch Hormone nach den Wechseljahren ist in Beobachtungsstudien, vor allem aber durch die große
randomisierte WHI*-Studie belegt (a-t 2002; 33: 81-3 und 2003; 34: 72).
In einer aktuellen britischen Beobachtungsstudie, der Million Women Study, wird jetzt erstmals der Einfluss der verschiedenen Hormonregime auf das Brustkrebsrisiko
und die Frage der Brustkrebssterblichkeit unter Hormonen untersucht. Zwischen 1996 und 2001 wurden über 1 Mio. Frauen zwischen 50 und 64 Jahren - ein
Viertel aller Britinnen in diesem Alter - zu ihrem Gebrauch von Sexualhormonen befragt und mithilfe des zentralen Registers des National Health Service
bezüglich Brustkrebsinzidenz und -sterblichkeit nachbeobachtet.1
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WHI = Women’s Health Initiative
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Aktuelle Hormonanwendung bei Aufnahme in die Studie geht bei durchschnittlicher Nachbeobachtung von 2,6 Jahren mit deutlich erhöhtem Brustkrebsrisiko
einher (relatives Risiko [RR] 1,66; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,58 bis 1,75). Wie in früheren Studien steigt die Gefahr mit zunehmender Dauer des Gebrauchs.
Erstmals wird jedoch auch ein Trend zu erhöhter Brustkrebssterblichkeit unter Hormonen nachgewiesen (RR 1,22; 95% CI 1,00 bis 1,48).1
Das höchste Erkrankungsrisiko gehen Anwenderinnen von Östrogen-Gestagen-Kombinationen ein (RR 2,00; 95% CI 1,88 bis 2,12). Das Risiko unter
Östrogen-Monopräparaten ist deutlich geringer, aber gegenüber Nichtgebrauch von Hormonen ebenfalls signifikant erhöht (RR 1,30; 95% CI
1,21 bis 1,40).1
Die Million Women Study dokumentiert zudem erstmals ein signifikant erhöhtes Brustkrebsrisiko unter dem 19-Nortestosteronderivat Tibolon (LIVIELLA; a-t 1999; Nr. 3: 29-30), dessen Metaboliten östrogene, gestagene und androgene Effekte besitzen und für das
der Hersteller in der Vergangenheit eine Sonderstellung in Hinblick auf das Brustkrebsrisiko behauptet hat ("nicht jede HRT** wirkt sich negativ auf das
Brustgewebe aus"2). Tibolon steigert das relative Brustkrebsrisiko auf 1,45 (95% CI 1,25 bis 1,68).1
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HRT = Hormone Replacement Therapy
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Die verschiedenen Östrogene in Östrogen-Monopräparaten, ihre Dosierungen und Applikationsformen unterscheiden sich in ihrem Risiko nicht
wesentlich, ebensowenig die verschiedenen Gestagene und ihre kontinuierliche oder sequenzielle Anwendung in Kombinationspräparaten. So ist das in der
WHI-Studie verwendete Medroxyprogesteronazetat (in: CLIMOPAX) nicht riskanter als Kombinationen mit Norethisteron (in MERICOMB u.a.) oder Levonorgestrel (in
KLIMONORM u.a.). Nach Absetzen scheint sich das erhöhte Risiko innerhalb weniger Jahre zurückzubilden.1
In der Altersgruppe der 50- bis 65-Jährigen kommt es nach Berechnung der Autoren pro 1.000 Anwenderinnen von Östrogen-Monopräparaten
innerhalb von zehn Jahren zu 5 zusätzlichen Brustkrebserkrankungen, unter Kombinationspräparaten sind es sogar 19 zusätzliche Erkrankungen pro
1.000 Frauen. Die Gesamtzahl der in dieser Altersgruppe durch die Hormonersatztherapie bedingten Brustkrebserkrankungen in den letzten zehn Jahren
schätzen die Autoren für Großbritannien auf 20.000***.1
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Aufgrund der WHI-Studie ergibt sich für Deutschland eine Rate zusätzlicher
Brustkrebserkrankungen von 800 pro 1 Mio. Anwenderinnen. Nach den höheren
Risikodaten der Million Women Study könnte die Gesamtzahl hierzulande
trotz zurückgehender Anwendung (a-t 2003; 34: 71-2) bei bis zu 8.000 pro
Jahr liegen (2.000 pro 1 Mio. Anwenderinnen).
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Die epidemiologische Million Women Study bestätigt erneut das deutlich
erhöhte Brustkrebsrisiko unter Hormonersatztherapie.
Das höchste Risiko besteht unter Östrogen-Gestagen-Kombinationen. Die
verschiedenen Gestagenkomponenten unterscheiden sich nicht.
Östrogen-Monopräparate bedeuten ein geringeres, aber gegenüber
Nichtgebrauch ebenfalls signifikant erhöhtes Brustkrebsrisiko.
Auch das bislang als unbedenklich vermarktete Tibolon (LIVIELLA) geht mit
signifikant erhöhtem Brustkrebsrisiko einher.
Hormonersatztherapie erhöht nicht nur das Erkrankungsrisiko, sondern scheint
auch die Sterblichkeit durch Brustkrebs zu steigern.
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