FÜR DEN PATENTERHALT: DESLORATADIN (AERIUS) UND LEVOCETIRIZIN (XUSAL) |
Kurz vor Ablauf des Patentschutzes Mitte dieses Jahres bzw. Anfang 2002 für die beiden umsatzstärksten Antihistaminika Loratadin (LISINO)
und Cetirizin (ZYRTEC) bringen die Firmen UCB und Essex Pharma zwei Molekülvarianten auf den Markt: Desloratadin (AERIUS) und Levocetirizin (XUSAL).
Zeitgleich mit der Einführung von Desloratadin stoppt Essex Pharma die Produktion der rezeptfreien LISINO-Tabletten, um die bezugnehmende Zulassung von
Generika zu behindern. Zudem werden dadurch Patienten quasi zwangsweise auf das verschreibungspflichtige AERIUS umgestellt, bevor im Sommer preiswertere
Loratadin-Generika auf den Markt kommen (siehe auch a-t 1999; Nr. 5: 49-50).
EIGENSCHAFTEN: Bei Desloratadin handelt es sich um den aktiven Hauptmetaboliten des H1-Rezeptorantagonisten Loratadin,
bei Levocetirizin um das aktive Enantiomer des Razemats Cetirizin. In ihren pharmakokinetischen Eigenschaften scheinen sich die Neuerungen nicht
wesentlich von den Muttersubstanzen zu unterscheiden. Mit 5 mg pro Tag werden sie jeweils halb so hoch dosiert.
WIRKSAMKEIT: Zu Desloratadin liegen zwei gemeinsam publizierte plazebokontrollierte Studien mit 674 Heuschnupfen-Patienten
vor.1 Täglich 5 mg Desloratadin über jeweils zwei Wochen lindern Beschwerden besser als ein Scheinmedikament. Die Differenz zu Plazebo
unterscheidet sich jedoch zwischen den Studien: Anders als zu erwarten gewesen wäre, ist sie in der Studie mit stärkeren Ausgangsbeschwerden kleiner.
Die klinische Bedeutung dieser Diskrepanz wird nicht diskutiert. Unerwähnt bleibt auch, ob den Ergebnissen eine Intention-to-treat- oder eine weniger robuste
Per-Protokoll-Analyse zu Grunde liegt. Klinische Vergleiche mit der Muttersubstanz Loratadin sind nicht veröffentlicht. Zu Levocetirizin liegen bei
Markteinführung keine vollständig publizierten Therapiestudien vor.
VERTRÄGLICHKEIT: In klinischen Studien klagen 16% bis 24% der Anwender von Desloratadin über Kopfschmerzen.
Rachenentzündungen und Dysmenorrhö (bis 7%), Mundtrockenheit (bis 5%) und Somnolenz (bis 3%) kommen häufig vor.1,2 Einnahme von
Levocetirizin geht bei 10% mit Schläfrigkeit, Müdigkeit oder Abgeschlagenheit einher. 8% klagen über Kopfschmerzen, 3% über
Mundtrockenheit.3
Laut Fachinformation3,4 soll keines der beiden Mittel das QT-Intervall im EKG relevant verändern. Nachvollziehbare Daten zur Einschätzung des
kardiotoxischen Potenzials sind nicht veröffentlicht.
KOSTEN: Mit monatlich 44,36 DM für täglich 5 mg werden Desloratadin (AERIUS) und Levocetirizin (XUSAL) auf den Pfennig genau zum
gleichen Preis angeboten wie die Vorgänger Loratadin (LISINO, 10 mg/Tag) und Cetirizin (ZYRTEC, 10 mg/Tag). ZYRTEC-Reimporte sind mit Monatskosten
von 40 DM (Beragena) 10% billiger. Das stärker sedierende Dimetindenmaleat (FENISTIL 24 STUNDEN, 35 DM/Monat bei täglich 4 mg) ist 20%
preiswerter als die Neueinführungen.
FAZIT: Die Antihistaminika Desloratadin (AERIUS) und Levocetirizin (XUSAL) sind Molekülvarianten von Loratadin (LISINO) und Cetirizin (ZYRTEC). Sie
kommen zu gleichen Preisen und ohne belegten klinischen Vorteil in den Handel. Das Marketingkonzept ist durchsichtig: Die Pseudoinnovationen sollen
Umsatzeinbußen vorbeugen, die nach Ablauf der Patente für LISINO und ZYRTEC zu erwarten sind.
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