RESTEX: LEVODOPA PLUS BENSERAZID GEGEN RESTLESS LEGS |
Seit September wird das alterprobte PARKINSON-Mittel Levodopa plus Benserazid (MADOPAR u.a.) zur Therapie des idiopathischen und urämisch
bedingten Restless-legs-Syndroms angeboten (Handelsname RESTEX). Damit ist erstmals ein Arzneimittel für das "Syndrom der unruhigen Beine"
zugelassen. Quälende Missempfindungen und heftiger Bewegungsdrang in den Beinen vor allem in Ruhe und nachts kennzeichnen die Erkrankung. Etwa 1%
bis 5% der Bevölkerung sollen betroffen sein. Die motorische Unruhe erschwert das Einschlafen und verhindert den Tiefschlaf (a-t 1998; Nr. 4: 38-40). Für Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz und Restless legs kann auch die
erzwungene Ruhe während der Dialyse zur Qual werden.1
EIGENSCHAFTEN: Levodopa wird unter der Vorstellung angewendet, dass zentrale dopaminerge Neurotransmittersysteme zur
Entstehung des Syndroms beitragen. Das Mittel geht nach Einnahme mit dem Dekarboxylasehemmer Benserazid zu 98% ins Blut über. Die
Bioverfügbarkeit retardierter Präparate beträgt 60% bis 70%. Einnahme zu eiweißreichen Mahlzeiten beeinträchtigt die Absorption.
Levodopa wird überwiegend verstoffwechselt (bei Dekarboxylasehemmung hauptsächlich durch Katechol-O-Methyltransferase) im Urin ausgeschieden.
Pharmakokinetische Daten bei Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz liegen nicht vor.1 Bei schwerer nichtdialysierter Nierenerkrankung ist das
Mittel kontraindiziert.2
KLINISCHE STUDIEN: An den drei größten randomisierten plazebokontrollierten Cross-over-Studien haben 32 bis 37 Patienten teilgenommen
- darunter drei bis elf mit Niereninsuffizienz.3-5 In den ersten vier Schlafstunden senken 125 bis 250 mg Levodopa plus Benserazid zur Nacht die
Häufigkeit periodischer Beinbewegungen3,4 und verlängern die Zeit ohne Bewegung der Gliedmaßen.4 Die subjektive
Schlafqualität bessert sich.3,4 Patienten, die in der zweiten Nachthälfte erneut Beschwerden haben, hilft die zusätzliche Einnahme einer
retardierten Zubereitung (125 bis 250 mg).5 Wegen der geringen Größe und Dauer (jeweils zweimal vier Wochen) und fehlender Intention-to-
treat-Analyse bei Abbruchraten von 9% bis 19% lassen die Studien keine klare Nutzenbewertung zu. Mehrere noch kleinere Untersuchungen deuten ebenfalls eine
therapeutische Wirksamkeit an.1 In einer Cross-over-Studie mit fünf Patienten mit urämisch bedingten Restless legs bleibt der Schlaf unter
Levodopa plus Carbidopa (NACOM u.a.) aber schlecht.1,6 Kontrollierte Daten zur bedarfsweisen Anwendung tagsüber fehlen.
UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Vor allem nach Einnahme nicht retardierter Zubereitungen können die Symptome bei nachlassender Wirkung
am frühen Morgen wiederkehren (Rebound). Besonders bei schwerer Erkrankung, nach hohen Dosierungen und langfristiger Einnahme zur Nacht können
sich die Beschwerden tagsüber verstärken: Sie setzen früher am Abend ein als vor Behandlungsbeginn, nehmen an Intensität zu oder breiten
sich weiter über den Körper aus (Augmentation). In einer Befragung betrifft dies 22 (73%) von 30 Patienten. Nach Absetzen bilden sich die
verstärkten Symptome zurück.7 Der langfristige Verlauf und das optimale Vorgehen bei Augmentation sind nicht bekannt. Weder zu Rebound
noch zu Augmentation finden sich Hinweise in der Fachinformation.2 Zur Begründung beruft sich der Hersteller Roche auf die oben zitierten kleinen
Kurzzeit-Studien (Hervorhebung durch Red.), in denen eine Verstärkung der Beschwerden nur bei "einzelnen Patienten" aufgetreten sei und
beispielsweise in einer Studie4 nur bei einem Teilnehmer* als Nebenwirkung eingestuft wurde.8
Auch bei Hemmung der peripheren Dekarboxylierung sind vegetative Effekte häufig. Dazu gehören vor allem Übelkeit, Erbrechen und Durchfall,
aber auch orthostatische Dysregulation und Herzrhythmusstörungen. Die Einnahme kann mit psychischen Veränderungen einhergehen wie Unruhe,
Ängstlichkeit, Schlafstörung und Depression mit Suizidgefahr.
KOSTEN: RESTEX wird mit monatlich 24,65 DM für die nicht retardierte Zubereitung und 29,91 DM für die Retardformulierung bei einer
Tagesdosis von 125 mg zum gleichen Preis wie MADOPAR angeboten. Das nicht retardierte Präparat ist 25% teurer als ein für die neue Indikation nicht
zugelassenes Generikum (LEVOPAR: monatlich 19,80 DM für täglich 125 mg).
FAZIT: Levodopa plus Dekarboxylasehemmer dient seit Jahren zur Behandlung des Restless-legs-Syndroms. Allerdings ist erst jetzt ein Präparat
zugelassen - mit unzureichender Dokumentation des Nutzens. Kurzfristig scheint das Mittel die motorische Unruhe im Schlaf und den Schlaf selbst zu bessern. Es
fehlen kontrollierte Daten zur bedarfsweisen Anwendung tagsüber und zur langfristigen Einnahme. Es mangelt aber auch an Informationen zur Verstärkung
(Augmentation) der Beschwerden, mit der unter der Therapie zu rechnen ist.
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