MIGRÄNEMITTEL SUMATRIPTAN (IMIGRAN): GEFÄHRLICHE VASOSPASMEN |
Zu den typischen Schadwirkungen Ergotamin-haltiger Migränemittel (z.B. CAFERGOT N) zählen spastische Gefäßverengungen, der
sogenannte Ergotismus. Mit bedrohlichen vasokonstriktorischen Effekten muß auch bei dem neuen Serotoninagonisten Sumatriptan (IMIGRAN) gerechnet
werden (vgl. a-t 2 [1993], 22). Das Migränemittel läßt den Gefäßwiderstand im großen
und kleinen Kreislauf ansteigen. Der Druck in der Aorta nimmt um 12-20% zu.1 Eine 47jährige Frau ohne vorbestehende koronare Herzkrankheit oder
PRINZMETAL-Angina erleidet einen akuten Herzinfarkt nach Subkutaninjektion von 6 mg Sumatriptan. Zuvor hatten zwei Sumatriptan-Injektionen jeweils
vorübergehend Brustschmerzen ausgelöst.2 Für die Kausalität des Migränemittels spricht der akute Krankheitsverlauf im
unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit definierten Symptomen.2,3 Ein 46 Jahre alter Mann mit linksseitiger Migräne ohne neurologische
Begleitsymptome entwickelt eine Woche nach der letzten von fünf Sumatriptan-Injektionen eine rechtsseitige Halbseitenlähmung und
Hypästhesie.4 Ein Zusammenhang der Subkutangabe mit der Entstehung eines ischämischen Hirninfarktes erscheint plausibel, nachdem bei
Migränepatienten 30 Minuten anhaltende Gefäßverengungen der Aa. cerebri media und carotis interna als Medikationsfolge nachzuweisen
waren.6 Verdachtsmeldungen zu neurologischen Störwirkungen von Sumatriptan an das britische Committee on Safety of Medicines umfassen
Hemiparese, Fazialisparese, Sprach- und Artikulationsstörung, Parästhesie und Hemianopsie.5
Unserem NETZWERK gingen in den letzten Wochen gehäuft Berichte zu Sumatriptan zu. Fünf Frauen reagieren auf Sumatriptan-
Injektionen mit Tachykardie, zweimal verbunden mit Angina pectoris, einmal mit Blutdruckabfall (NETZWERK-Berichte 6450, 6451, 6452, 6453, 6454). Wegen
Atemnot, Unruhe, retrosternaler Enge, Kopfdruck, Hyperventilation und panischer Angst, die eine halbe Stunde nach erstmaliger Einnahme auftreten, muß ein
17jähriger in Schleswig-Holstein stationär eingewiesen werden. EKG-Veränderungen sind nicht feststellbar (Bericht 6486). Eine 32jährige ruft
nach Einnahme von Sumatriptan-Tabletten den Notarzt wegen heftiger stenokardischer Beschwerden, Beklemmungsgefühl, Luftnot und Angst, "sterben
zu müssen". Die Migräne bleibt unbeeinflußt und klingt erst 24 Stunden später ab (6568). Ein unmittelbar nach Sumatriptan-Injektion vom
Nacken auf den ganzen Kopf aufsteigendes Brennen geht bei einer 41jährigen mit Engegefühl in der Brust und Angst einher (6467). Ein hessischer
Kollege berichtet über brennenden bzw. starken Schmerz an der Injektionsstelle bei zwei Migräne-Patienten: Während ein 33jähriger
außerdem nach drei Minuten mit Blässe, Schweißausbruch und Übelkeit reagiert (6545), wirkt die Injektion bei einer 35jährigen Friseuse nur
mangelhaft (6547). Nach heftigen Schmerzen während der Injektion klagt eine 52jährige wenig später über Übelkeit sowie Taubheit in
verschiedenen Körperregionen, die zum Teil einen Tag anhalten. Die Migräne klingt zwar nach der Injektion ab, 13 Stunden später kommt es jedoch
zur erneuten Attacke (6639). Eine 24jährige Arzthelferin reagiert auf Sumatriptan mehrmals mit Wortfindungsstörungen und Gedächtnislücken
(6637).
Dem Vernehmen nach ist einer anderen deutschen Erfassungsstelle Vasospasmus der Arteria femoralis und poplitea nach Sumatriptan subkutan im Sinne eines
klassischen Ergotismus bekannt geworden.
FAZIT: Die Behandlung der Migräne mit der Serotoninvariante Sumatriptan (IMIGRAN) kann mit Ergotismus-artigen vasokonstriktiven Symptomen
einhergehen. Schwere Zwischenfälle nach Sumatriptan mit Myokardinfarkt und Hemiparese werden jetzt beschrieben. Die kostspielige Neuerung (vgl. a-t 2 [1993], 21) sollte u.E. angesichts des sich abzeichnenden Risikoprofils nur nach Ausschöpfung aller anderen
medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen verordnet werden, zumal bei der Hälfte der auf die Behandlung ansprechenden
Patienten der Migräneanfall anscheinend nur um 24 bis 48 Stunden verschoben, aber nicht beseitigt wird (vgl. S. 81).
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