VORSICHT DESINFORMATION –
VIRX: NASENSPRAY GEGEN COVID-19?
Mehrere Kollegen machen uns auf eine ganzseitige Werbung für das „Anti-Corona-Nasenspray“ VIRX in einer überregionalen Tageszeitung1 aufmerksam. Das vom kanadischen Hersteller SaNOtize entwickelte
Medizinprodukt soll das „Infektionsrisiko mit COVID-19“ um 75% senken, Viren „innerhalb von zwei Minuten“ inaktivieren und die Viruslast infizierter
Patienten innerhalb von 48 Stunden um „mehr als 99%“ reduzieren.1,2 Zudem soll es die Dauer einer SARS-CoV-2-Infektion „um die Hälfte“
verkürzen.1,3* Dabei werden für das Spray zwei verschiedene Wirkmechanismen angegeben: Einerseits sei es ein „Virenblocker“1,2 durch ein Zellulosederivat, das
auf der Nasenschleimhaut eine mechanische Barriere bilde,3 zum anderen ein „Virenkiller“1, offenbar vor allem über Stickstoffmonoxid, eine gasförmige
Verbindung, für die in vitro antivirale Effekte beobachtet worden seien.3,4 Daten aus In-vitro-Studien erlauben jedoch keinen Rückschluss auf klinische Wirksamkeit (vgl. ALGOVIR; a-t 2020;
51: 80). Als Wirksamkeitsbeleg für die Verkürzung der Infektionsdauer wird vor allem eine randomisierte doppelblinde plazebokontrollierte Studie5 aus
Indien herangezogen, die primär die Reduktion der Viruslast bei 306 Erwachsenen mit milden COVID-19-typischen Symptomen und positivem Antigentest untersucht, wegen massiver methodischer Mängel
aber ohne Aussagekraft bleibt. So werden mehr als 30% der randomisierten Teilnehmer nachträglich wegen eines negativen PCR-Tests ausgeschlossen, in die Hauptanalysen gehen zudem nur
„Hochrisiko“-Patienten ein (42% bzw. 45% der ursprünglich randomisierten Personen).5 Die behauptete 75%ige Reduktion des Infektionsrisikos wird aus einer retrospektiven
Beobachtungsstudie aus Thailand abgeleitet,2,3 die nicht veröffentlicht und daher nicht beurteilbar, aufgrund ihres Designs als Nutzenbeleg aber ohnehin ungeeignet ist. Da Stickstoffmonoxid
als aktives Wirkprinzip dargestellt wird, das die Integrität von Viren zerstören soll,3,5 erscheint uns die Vermarktung als Medizinprodukt nicht begründbar. Erst vor einem Monat wies die
französische Arzneimittelagentur ANSM darauf hin, dass antivirale Nasensprays mit primär pharmakologischer Wirkung in Europa als Arzneimittel einzustufen sind.6 Die in Deutschland
zuständige Landesbehörde teilt uns auf Anfrage mit, dass die Verkehrsfähigkeit des Nasensprays als Medizinprodukt derzeit geprüft werde.7 Angesichts des unzureichend
belegten Nutzens und der unrealistischen Wirksamkeitsbehauptungen besteht Gefahr, dass sich Anwender in falscher Sicherheit wiegen und Schutzmaßnahmen wie Abstand und Gesichtsmasken
vernachlässigen. 25 ml VIRX-Nasenspray kosten laut Werbung8 24,80 € und gemäß Apothekendatenbank sogar 32,99 €. Die 200 Sprühstöße reichen laut Anbieter „ca.
1 Monat“.8 Bei der vom Hersteller empfohlenen Anwendung zwei- bis dreimal täglich bzw. sechsmal täglich nach Exposition9 (jeweils 2 Hub pro Nasenloch) reicht das
Spray lediglich 8 bis 25 Tage. Wir raten von der Anwendung ab, –Red.
| * | Wahlweise ist auch von einer Halbierung der Krankheitsdauer die Rede.1 |
© 2022 arznei-telegramm, publiziert am 18. Oktober 2022
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