ENDLICH: ALTERSBEZOGENER ANWENDUNGSSTOPP VON AZD1222
Seit dem vorübergehenden vorsorglichen Stopp der
Impfung mit der COVID-19-Vakzine AZD1222 (a-t 2021; 52: 9-13) von AstraZeneca wegen schwerer Thrombosen in ungewöhnlichen Körperregionen (z.B. Hirnsinus,
Mesenterialgefäße; vgl. blitz-a-t vom 19. März 2021) hat die Zahl der dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldeten Sinusthrombosen in Verbindung mit AZD1222 deutlich zugenommen: Bis zum 29. März
2021 liegen dem PEI bezogen auf 2,7 Mio. verimpfte Dosierungen 31 Berichte über diese Komplikation vor. 29 Betroffene sind Frauen zwischen 20 und 63 Jahren, 2 sind Männer von 36 bzw. 57 Jahren. Bei 19
Betroffenen liegt gleichzeitig eine Thrombozytopenie vor, 9 Patienten sind verstorben.1 Diese Häufigkeiten stehen unseres Erachtens der pauschalen Einstufung der Vakzine als sicher
entgegen.
Bereits in den vergangenen Tagen haben neben Frankreich
mehrere weitere Länder innerhalb und außerhalb der Europäischen Union reagiert und altersbezogene Anwendungsbeschränkungen für den Vektorimpfstoff empfohlen oder die Verwendung der Vakzine für
jüngere Menschen ausgesetzt, um die Risiken schwerer Thrombosen sorgfältig zu prüfen: In Kanada soll die Vakzine auf Empfehlung der Nationalen Impfkommission NACI bis auf Weiteres nicht mehr bei
unter 55-Jährigen verimpft werden, in Schweden und Finnland nicht mehr bei unter 65-Jährigen, in Island nicht mehr bei unter 70-Jährigen.2-5 Dänemark und Norwegen wollen erst Mitte
April über die weitere Verwendung der Vakzine entscheiden.6,7
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat die
Dringlichkeit des Risikosignals offensichtlich unterschätzt. Gemäß Pressemitteilung vom 25. März 2021 wollte sie am gestrigen 29. März 2021 ein Expertentreffen zu dem Thema einberufen, eine Empfehlung
jedoch erst nach der nächsten Sitzung des Ausschusses für Pharmakovigilanz und Risikobewertung (PRAC) in der Woche nach Ostern abgeben.8 Die europäische Behörde wird hierzulande jetzt
durch Entscheidungen in einigen Bundesländern und Städten überholt (Berlin, Brandenburg, München u.a.), die die Impfung mit AZD1222 für jüngere Impflinge ausgesetzt haben. Aber auch die Ständige
Impfkommission (STIKO) hat die Risikosignale unterschätzt. Noch am heutigen Mittag teilt uns die Kommission mit, sich „in den nächsten Tagen“ äußern zu wollen. Die Reaktion dürfte
angesichts der bereits erfolgten regionalen Anwendungsstopps rascher erfolgen (müssen).
Die von uns bereits im blitz-a-t vom 19. März geforderten
Maßnahmen zum vorbeugenden Verbraucherschutz sind überfällig. AZD1222 ist nicht der einzige verfügbare Impfstoff gegen COVID-19 und ein entsprechendes Risikosignal unter den mRNA-Impfstoffen
von BioNTech und Moderna beim jetzigen Kenntnisstand nicht beschrieben.2 Umgekehrt scheinen Sinusthrombosen bei Älteren, soweit es sich derzeit beurteilen lässt, auch unter dem
AstraZeneca-Impfstoff deutlich seltener vorzukommen: In Großbritannien, wo die Vakzine vorwiegend bei Älteren angewendet wird, wird die Häufigkeit einer Sinusthrombose aktuell auf weniger als 1 pro 1
Mio. Geimpfter geschätzt.10
| 1 | PEI: Schreiben vom 30. März 2021 |
| 2 | National Advisory Committee on Immunization: NACI rapid response:
Recommended use of AstraZeneca COVID-19 vaccine in younger adults, 29. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=uzen |
| 3 | THL Finnland: Presseerklärung vom 24. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=uthm |
| 4 | Folkhälsomyndigheten, Schweden: Presseerklärung vom 25. März
2021; http://www.a-turl.de/?k=aibl |
| 5 | EINARSDOTTIR, G.S.: Iceland Review vom 25. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=eteb |
| 6 | BUTTLER, M., ROLANDER, L.: Bloomberg, 25. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=rahl |
| 7 | FOUCHE, G., SOLSVIK, T.: The ChronicleHerald vom 27. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=reiz |
| 8 | EMA: Presseerklärung vom 25. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=aken |
| 9 | STIKO: Schreiben vom 30. März 2021 |
| 10 | MHRA: Coronavirus vaccine – weekly summary of Yellow Card
reporting, 25. März 2021; http://www.a-turl.de/?k=raac
|
© 2021 arznei-telegramm, publiziert am 30. März 2021
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