ANTIBIOTIKABEHANDLUNG, WIE LANGE? |
In unserer chirurgischen Abteilung sind erneut Differenzen betreffs der Dauer einer Antibiotikatherapie aufgetreten. Sollte eine einmal
begonnene Therapie prinzipiell für 10 Tage durchgeführt werden oder mehr nach klinischen Gesichtspunkten (Wundverhältnisse, Fieber usw.)
beendet werden (wenn auch nur für 3 oder 4 Tage)? Welche mikrobiologischen und pharmakologischen Vor- bzw. Nachteile sprechen für die jeweiligen
Standpunkte?
G. WEIGAND
W-2800 Bremen 1
Prinzipiell soll eine antibiotische Therapie die krankheitsverursachenden Keime so reduzieren, daß die körpereigene Abwehr mit ihnen fertig wird.
Für die Keimentfernung ist nicht primär das Antibiotikum verantwortlich, sondern die Körperabwehr. Zeichen der erfolgreichen Abwehr sind Abfall der
Leukozytenwerte, Rückgang des Fiebers und/oder Reinigung der Wundverhältnisse. Verbunden damit ist eine Elimination der Keime aus dem Blut oder
anderen Körperflüssigkeiten. Eine Beseitigung des Keimes aus Körperoberflächen oder abgekapselten Wundhöhlen läßt sich
dabei meist nicht erzielen. Wirksame Antibiotika-Konzentrationen sind dort nicht zu erreichen. Ebenso gelangen Antibiotika nicht in traumatisierte oder nekrotische
Gewebe und können dort keine Keime entfernen.
Hieraus läßt sich ableiten, daß eine antibiotische Therapie nur bis zur Beendigung der klinischen Zeichen der Infektion fortgesetzt werden muß
und spätestens 2 oder 3 Tage nach Verschwinden der klinischen Symptomatik abgesetzt werden kann. Eine länger dauernde Nachbehandlung beugt
weder dem Wiederauftreten der Infektion noch einer neuen Infektion vor. Im Gegenteil: Eine länger dauernde Behandlung selektioniert für die
Zweitinfektion nur die Keime, die gegen das länger gegebene Antibiotikum resistent sind.
Im chirurgischen Bereich wird mitunter die perioperative Antibiotika-Prophylaxe über den Zeitpunkt des Wundverschlusses hinaus verlängert, weil
ungünstige Wundverhältnisse oder Gewebetraumata die Gefahr einer Sekundärinfektion beinhalten. Die Verlängerung der Prophylaxe wird
dann als "Frühtherapie" umschrieben. Auch diese anscheinend plausible Behandlungsform ist erfolglos, denn eine durch besondere
Gewebsbedingungen ausgelöste Infektion läßt sich damit nicht verhindern: Die Infektionsrate ist die gleiche wie bei der kurzzeitigen Prophylaxe
während der Operation und Absetzen des Antibiotikums nach Operationsende. Dies führt allerdings zur Selektion resistenter Keime als Ursache der
Sekundärinfektion.
FAZIT: Im Bereich der Chirurgie soll jedes Antibiotikum spätestens 2 bis 3 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik des bakteriellen Infektes abgesetzt
werden. Eine Verlängerung der Behandlung erbringt keinen therapeutischen Nutzen, beinhaltet aber die Gefahr der Keimselektion bei erneut auftretenden
bakteriellen Infektionen.
Eine perioperative Antibiotika-Prophylaxe wird nach der Operation beendet. Auftretende Sekundärinfektionen sind keimentsprechend gezielt zu
behandeln.
Sonderfälle für diese Grundregeln sind selbstverständlich chronische bakterielle Infektionen wie Osteomyelitis, Endokarditis u.ä.
(Red.).
|
© 1992 arznei-telegramm |