MEDIKAMENTÖS BEDINGTE ZAHNFLEISCHWUCHERUNGEN |
Vor fünf Jahren berichteten wir erstmals über Zahnfleischwucherungen im Zusammenhang mit Nifedipin (ADALAT u.a.), ausgehend von
sieben Meldungen des Britischen Komitees für Arzneimittelsicherheit und einem NETZWERK-Bericht zu dieser Komplikation (a-t 7 [1986], 61 und 68).
Inzwischen erhielt unser NETZWERK DER GEGENSEITIGEN INFORMATION insgesamt 13 Meldungen zu Gingivahyperplasie nach
Nifedipineinnahme. Die Zahnfleischwucherung tritt offensichtlich nach längerer Anwendung von Nifedipin auf.1 In den NETZWERK-Meldungen liegt
die Therapiedauer überwiegend zwischen 1 ½ und 3 Jahren (NETZWERK-Fälle 1132, 1270, 1497, 1832, 3033 und 3702). Je ein Patient hat den
Kalziumantagonisten vier (Fall 2252) bzw. sieben Jahre (Fall 3679) eingenommen. Nur zwei Personen entwickelten die Zahnfleischwucherung bereits nach zwei (Fall
3738) bzw. sechs Monaten (Fall 4607). Bei 6 der 13 Betroffenen besserte sich die Gingivahyperplasie nach Absetzen oder bildete sich vollständig
zurück.
Laut Rote Liste 1991 sollen Zahnfleischwucherungen im Zusammenhang mit Kalzium-Antagonisten "sehr selten" auftreten, laut Fachinformation von
NIFEDIPIN STADA sogar "äußerst selten".5 Nach US-amerikanischen Angaben ist hingegen im Zusammenhang mit Nifedipin bei bis
zu 1% der Behandelten mit Gingivahyperplasie zu rechnen, vereinzelt auch nach Verapamil und Diltiazem.2
Durch welchen Pathomechanismus Nifedipin eine Zahnfleischwucherung auslöst, ist unklar. Die Veränderungen ähneln histologisch den
Beobachtungen bei Zahnfleischwucherungen nach Phenytoin (ZENTROPIL u.a.).4 Am bekanntesten sind Zahnfleischwucherungen in Verbindung mit
diesem Antikonvulsivum mit einer Häufigkeit von 30 bis 70%.3 8 bis über 70% der mit Ciclosporin (SANDIMMUN) behandelten Patienten entwickeln
ebenfalls eine Gingivahyperplasie.4 Seltener findet sich die Störung in Verbindung mit den Antiepileptika Phenobarbital (LUMINAL u.a.) und Primidon
(LISKANTIN u.a.) sowie nach Östrogen- und Gestagen-haltigen Kontrazeptiva.3
Als erste therapeutische Maßnahme sollte Nifedipin abgesetzt werden. Weiter empfiehlt sich, wie bei Gingivahyperplasien durch Phenytoin, eine verbesserte
Mundhygiene mit verstärkter Zahnpflege, Massage und Spülung bei Zahnfleischtaschen. Bei fortbestehender Medikation hat eine unter Umständen
notwendige Gingivaresektion nur einen temporären Effekt für einige Monate.3
FAZIT: Eine Zahnfleischwucherung im Zusammenhang mit Nifedipin (ADALAT u.a.) tritt bei bis zu 1% der behandelten Patienten auf. Erklärungen für
die Entstehung der Zahnfleischwucherungen durch Nifedipin fehlen. Die histologischen Veränderungen ähneln denen unter Phenytoin (ZENTROPIL
u.a.).
Außer sofortigem Absetzen von Nifedipin ist eine sorgfältige Mundhygiene zur Therapie der Gingivahyperplasie erforderlich. Gelegentlich wird eine
Gingivaresektion notwendig. Die Wirkung hält jedoch bei fortbestehender Medikation nur einige Monate an.
|
© 1991 arznei-telegramm |