KONVULSIVE KRISEN UND KARDIOVASKULÄRE KOMPLIKATIONEN NACH NAFTIDROFURYL (DUSODRIL) |
Die hochdosierte parenterale Gabe des Vasodilatators Naftidrofuryl (DUSODRIL u.a.) erscheint problematisch: Wegen eines Hörsturzes erhielt ein
22jähriger Patient hohe Dosen Naftidrofuryl (bis zu 600 mg/Tag als i.v.-Infusion). Am vierten Behandlungstag trat plötzlich Bewußtlosigkeit auf mit
tonischer Verkrampfung über zwei bis drei Minuten und einer 15minütigen Reorientierungsphase. Für die konvulsive Krise war keine andere Ursache
als die hochdosierte parenterale Naftidrofuryl-Gabe anzuschuldigen.
Der Vasodilatator fiel bereits 1981 in einer Multizenterstudie auf. Bei drei von 183 Komplikationen durch Naftidrofuryl starben die Betroffenen. Einmal kam es zu einer
ventrikulären Tachykardie, in zwei Fällen zu einem plötzlichen Herz- und Atemstillstand. Alle Patienten waren sehr jung. Zusätzlich wurde
vereinzelt über zerebrale Krampfanfälle während der Naftidrofuryl-Infusion, plötzliche Bewußtlosigkeit, hervorgerufen durch
atrioventrikulären Block, Bewußtseinsstörungen und Blutdruckabfall berichtet.
Als gemeinsame pathophysiologische Grundlage wäre eine kardiotoxische Ursache mit passagerer zerebraler Hypoxie denkbar, die zum Grand mal
führte.
Eine Dosis von mehr als 400 mg Naftidrofuryl in weniger als zwei Stunden in isotonischer Glukoselösung oder die direkte intravenöse Injektion einer
solchen Dosis können schwere Komplikationen, sogar Todesfälle hervorrufen. Vor dem Hintergrund der literaturbekannten Erkenntnis erstaunt es,
"daß sich in der aktuellen Fassung der 'Roten Liste 1991' unverändert für bestimmte Indikationsbereiche die Therapieempfehlung des
Herstellers findet, 400-600 mg Naftidrofuryl in 5%iger Laevulose-Lösung über zwei bis drei Stunden zu infundieren."
Mitarbeiter des Klinikums Mannheim warnen: "Wenn man zusätzlich den weitverbreiteten Einsatz von Naftidrofuryl und die offene Kontroverse um die
Wirksamkeit auf vaskulär-neuro-otologischem Gebiet berücksichtigt," ist eine Änderung dieser Empfehlung notwendig.
FAZIT: Unseres Wissens haben alle medikamentösen Maßnahmen beim akuten Hörsturz in einem Prozentbereich "Erfolge", wie sie
auch nach Plazebo-Gabe gesehen werden. Vor diesem Hintergrund, läßt sich die nicht streng überwachte parenterale Gabe eines für den
Menschen potentiell kardiotoxischen Arzneimittels, das zudem im Tierexperiment kardiodepressiv wirkt (strukturell verwandt mit Prokain) nicht länger vertreten.
Die routinemäßige Infusionstherapie des akuten Hörsturzes sollte von den zuständigen Fachgesellschaften neu bewertet werden.
POHLMANN-EDEN, B., W. BERGLER: Dtsch. med. Wschr. 116 (1991), 1453 / ati d
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