STABILE KHK: KORONARE ANGIOPLASTIE OHNE EINFLUSS AUF DIE PROGNOSE |
Bei stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) wird in aktuellen Leitlinien eine Revaskularisationstherapie zur Verbesserung der Prognose vor allem bei
linksventrikulärer Hauptstammstenose von mindestens 50% empfohlen sowie bei Dreigefäßerkrankung mit proximalen Stenosen von mindestens 70%
oder bei proximaler RIVA*-Stenose von mindestens 70%, wenn gleichzeitig eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion und reversible Ischämien
unter Belastung vorliegen. Dann verbessern jedoch nur aortokoronare Bypass-Operationen im Vergleich zur rein medikamentösen Therapie die
Lebenserwartung.1,2 Perkutane Koronarangioplastien (PCI) mit oder ohne Stenteinlage dagegen senken bei stabiler KHK weder die Gesamt- noch die
kardiale Sterblichkeit. Nach einer Metaanalyse von elf randomisierten Studien mit knapp 3.000 Patienten treten Infarkte in der Tendenz sogar häufiger
auf.3 Eine ältere systematische Übersicht findet zudem, dass nach Angioplastie häufiger koronare Bypass-Operationen notwendig werden.
PCI vermindern jedoch im langjährigen Verlauf die Häufigkeit von Angina-pectoris-Anfällen und erhöhen die Belastungstoleranz.4-6
Eine PCI wird deshalb vor allem zur Verbesserung der Lebensqualität empfohlen, wenn beispielsweise trotz gegebener Indikation eine Operation nicht
möglich ist oder abgelehnt wird oder wenn sich die pektanginösen Beschwerden bei Ein- oder Mehrgefäßerkrankungen medikamentös
nicht beherrschen lassen.1,2
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RIVA = Ramus InterVentricularis Anterior
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Die jetzt veröffentlichte, in den USA und Kanada durchgeführte randomisierte COURAGE**-Studie prüft erstmals, ob eine PCI mit
routinemäßiger Stenteinlage bei Patienten mit stabiler KHK die Rate an Todesfällen und Infarkten (primärer kombinierter Endpunkt) vermindert,
wenn sie zusätzlich zu einer optimierten antianginösen medikamentösen Therapie durchgeführt wird.7 Patienten mit mindestens
70%iger proximaler Stenose zumindest einer Koronararterie und objektivierbarer Ischämie im Belastungstest oder mindestens 80%iger Stenose und klinisch
typischer Angina nehmen teil. Von den zunächst gescreenten mehr als 35.500 Patienten werden nur 2.287 in die Studie aufgenommen.7
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COURAGE = Clinical Outcomes Utilization Revascularisation and AGgressive Drug
Evaluation
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Die zu 85% männlichen Teilnehmer sind im Mittel 62 Jahre alt. Bei 33% ist ein Diabetes bekannt, bei 67% ein Bluthochdruck und bei 38% ein früherer
Infarkt. 27% haben bereits eine koronare Revaskularisation hinter sich. Die Patienten leiden seit durchschnittlich fünf Monaten etwa dreimal pro Woche
an Angina pectoris, zwei von dreien erst bei mäßiger oder starker körperlicher Belastung. Angiografisch ist zu etwa gleichen Teilen eine Ein-, Zwei-
oder Dreigefäßerkrankung nachweisbar. Eine proximale RIVA-Stenose liegt bei 34% vor. Im Studienverlauf nehmen 94% bis 95% der Patienten
Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) ein, 92% bis 95% ein Statin, 84% bis 89% einen Betablocker und 72% bis 78% einen ACE-Hemmer oder ein
Sartan.7
Während einer medianen Beobachtungszeit von 4,6 Jahren kommt es in der PCI-Gruppe bei 19% zu Todesfällen oder Infarkten, in der nur
medikamentös behandelten bei 18,5%. Der Unterschied ist nicht signifikant (Hazard Ratio [HR] 1,05; 95% Vertrauensbereich [CI] 0,87-1,27). Bei den
sekundären Endpunkten wie der Kombination aus Todesfällen, Infarkten und Insulten sowie den Krankenhausaufnahmen wegen eines akuten
Koronarsyndroms oder Infarkten allein bietet die PCI ebenfalls keinen Vorteil. Nach PCI versterben 7,6%, unter medikamentöser Therapie 8,3% (HR 0,87; 95%
CI 0,65-1,16). In keiner der untersuchten Subgruppen ergibt sich beim primären Endpunkt ein Vorteil für die Strategie mit PCI, insbesondere nicht für
Patienten mit Angina schon bei mäßiger Belastung oder Mehrgefäßerkrankung.7
Die Patienten mit PCI scheinen nur in den ersten ein bis drei Jahren und nur geringfügig seltener an Angina pectoris zu leiden als die primär
medikamentös behandelten: Bestenfalls ein Patient von zwölf wird durch die PCI beschwerdefrei. Am Studienende ist ein Unterschied zwischen den
Gruppen nicht mehr nachweisbar. Allerdings werden im Studienverlauf für das Erreichen von Beschwerdefreiheit in der Gruppe mit primärer PCI seltener
Revaskularisationen notwendig unter primär medikamentöser Therapie (21,1% vs. 32,6%; HR 0,60; 95% CI 0,51-0,71; Number needed to treat = 9). Auch
der Anteil der Patienten, die bei Studienende ein Nitrat oder einen Kalziumantagonisten zur antianginösen Therapie benötigen, ist nach PCI um 17% bzw.
10% geringer.7
Insgesamt bleibt unbewiesen, dass eine PCI mit Stent gegenüber einer optimalen präventiven medikamentösen Therapie (ASS, Statine, Betablocker
und ggf. ACE-Hemmer) die Prognose von Patienten mit chronisch stabiler KHK verbessert. Sie sollte Patienten vorbehalten bleiben, die trotz medikamentöser
Therapie weiterhin Beschwerden haben. Zielen Revaskularisationen auf eine Verbesserung des Überlebens, sollte der koronaren Bypass-Operation der Vorzug
gegeben werden.8,9 In COURAGE werden fast nur unbeschichtete Stents verwendet. Ob eine PCI mit beschichteten Stents die Prognose bei stabilen
Patienten verbessert, ist unklar und muss nach den Ergebnissen zu späten Stentthrombosen bezweifelt werden (a-t
2007; 38: 28-9). Die PCI-Euphorie, die in den vergangenen Jahren durch die vermeintlich günstigeren Ergebnisse mit beschichteten Stents unterstützt
wurde, dürfte durch die aktuelle Studie weiter gedämpft werden.
Eine perkutane Koronarangioplastie (PCI) verbessert bei stabiler koronarer
Herzkrankheit (KHK) nicht die Prognose, wenn die Patienten optimal medikamentös behandelt werden.
Bei Beschwerden trotz medikamentöser Therapie kann eine PCI mittelfristig
eine Verbesserung der Symptome bewirken. Es profitieren jedoch nur Wenige.
Wenn eine Revaskularisation aus prognostischen Gründen notwendig ist
(Hauptstamm- oder proximale RIVA-Stenose, vor allem bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion), ist ein Bypass vorzuziehen.
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randomisierte Studie, M= Metaanalyse)
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R |
1 |
FOX, K. et al.: Eur. Heart J. 2006; 27: 1341-81 |
R |
2 |
Nationale Versorgungsleitlinie "Chronische KHK"; zu finden unter: http://www.versorgungsleitlinien.de |
M |
3 |
KATRITSIS, D. et al.: Circulation 2005; 111: 2906-12
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M |
4 |
BUCHER, H.C. et al.: BMJ 2000; 321: 73-77 |
R |
5 |
HENDERSON, R.A. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2003; 42: 1161-70 |
R |
6 |
RITA-2-Investigators: Lancet 1997; 350: 461-8
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R |
7 |
BODEN, W.E. et al.: N. Engl. J. Med. 2007; 356: 1503-16 |
| |
8 |
HOCHMAN, J.S., STEG, P.G.: N. Engl. J. Med. 2007; 356: 1572-4 |
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9 |
TASHIRO, T. et al.: Ann. Thorac. Cardiovasc. Surg. 2007; 13: 5-8
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