FEHLBILDUNGEN DURCH ACE-HEMMER IM ERSTEN SCHWANGERSCHAFTSDRITTEL? |
Dass die Einnahme von ACE-Hemmern wie Enalapril (XANEF u.a.) im 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel ein fetales Syndrom mit vermindertem
Fruchtwasser, intrauteriner Wachstumsverzögerung, schwerer Hypoplasie des Schädelknochens und Nierenversagen bis hin zum Tod des Neugeborenen
hervorrufen kann, ist seit vielen Jahren bekannt (a-t 1992; Nr. 4: 40). Die Schädigung wird auf
eine direkte Beeinträchtigung der fetalen Nierenfunktion durch Hemmung der Umwandlung von Angiotensin (AT) I zu Angiotensin II zurückgeführt
und ist auch unter AT-II-Blockern beschrieben, die das Renin-Angiotensin-System an anderer Stelle unterbrechen.1 ACE-Hemmer sind daher laut Rote Liste
2006 in der Schwangerschaft kontraindiziert. Bei Einnahme ausschließlich im ersten Schwangerschaftsdrittel wird die Fetopathie allerdings nicht
beobachtet.1 Aus den bisher vorliegenden spärlichen Daten aus Einzelberichten und Fallserien lassen sich auch keine eindeutigen Hinweise auf
teratogene Effekte ableiten.2 Die Empfehlungen in den Fachinformationen zur Anwendung von ACE-Hemmern im ersten Trimenon hierzulande sind
widersprüchlich.
Jetzt wird erstmals eine epidemiologische Studie3 zu dieser Fragestellung veröffentlicht: In der mit öffentlichen Geldern geförderten retrospektiven
Kohortenstudie werden die Daten von 29.507 zwischen 1985 und 2000 geborenen Kindern mit den Verordnungsdaten und Krankenakten ihrer Mütter
verknüpft. Alle Daten werden verblindet erfasst. Kinder, deren Mütter ausschließlich im 1. Schwangerschaftsdrittel einen ACE-Hemmer eingenommen
haben, tragen demnach ein 2,7fach erhöhtes Risiko kongenitaler großer Fehlbildungen gegenüber Kindern, deren Mütter während der
gesamten Schwangerschaft kein Antihypertensivum angewendet haben (18 [7,1%] von 209 versus 834 [2,6%] von 29.096; Risk Ratio 2,71; 95% Konfidenzintervall
[CI] 1,72-4,27)*. Die Einnahme anderer blutdrucksenkender Mittel im ersten Trimenon geht nicht mit einer gesteigerten Gefährdung einher.3 Neun der
unter ACE-Hemmern beobachteten Anomalien betreffen das kardiovaskuläre System (Risk Ratio 3,72; 95% CI 1,89-7,30), drei das zentrale Nervensystem (Risk
Ratio 4,39; 95% CI 1,37-14,02). Aufgrund möglicher Verzerrungen sind Frauen mit Diabetes ausgeschlossen, ebenso solche, die bekannte potenzielle
Teratogene angewendet oder Antihypertensiva im 2. oder 3. Trimenon eingenommen haben. Die Zahl der beobachteten Fehlbildungen ist jedoch klein, und es bleibt
offen, in welchem Ausmaß die verordneten Antihypertensiva tatsächlich eingenommen wurden. Das Ergebnis ist aber als Risikosignal zu werten und sollte
Anlass zu weiteren Untersuchungen geben.1,3 Nach (versehentlicher) Exposition mit ACE-Hemmern im 1. Trimenon wird ein hochauflösender
Ultraschall empfohlen. Ein risikobegründeter Schwangerschaftsabbruch ist nicht gerechtfertigt.4
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