NEUER STUHLTEST ZUR FRÜHERKENNUNG VON DARMKREBS? |
Ich bitte um Informationen zu dem von der Firma ScheBo Biotech angebotenen "Darmkrebsvorsorge-Test TUMOR M2-PK" im Stuhl.
Dr. W. BAUR (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-38690 Vienenburg
Interessenkonflikt: keiner
Screening auf okkultes Blut im Stuhl (HAEMOCCULT) ist der einzige Test zur Früherkennung von Dickdarmkrebs, für den in vier großen
randomisierten Langzeitstudien eine geringfügige Senkung der Darmkrebsmortalität nachgewiesen ist.1 Es müssen allerdings 1.000
Menschen alle zwei Jahre an dem Früherkennungsverfahren teilnehmen, um in zehn Jahren einen durch Darmkrebs bedingten Todesfall zu verhindern. Die
Gesamtsterblichkeit wird dabei nicht vermindert.2,3
Der nachgewiesene Nutzen ist gegen die Nachteile abzuwägen: Wie bei anderen Screeningtests führen falsch-positive Resultate zu unnötigen
Ängsten und belastender Folgediagnostik. Aufgrund der geringen Prävalenz des kolorektalen Karzinoms (0,9% bei 50- bis 70-Jährigen4) hat
selbst bei einem relativ spezifischen Test wie dem auf okkultes Blut im Stuhl (96% bis 98%;5 d.h. 96% bis 98% der Gesunden werden als gesund erkannt) nur
eine Minderheit der Personen mit positivem Ergebnis tatsächlich Krebs: Von 100 in dieser Altersgruppe etwa 8 bis 15. Die Rate der Blutungen oder
Perforationen bei Koloskopie, dem Goldstandard zur Abklärung eines positiven HAEMOCCULT, wird mit bis zu 0,2% angegeben.6,7
TUMOR M2-PK IM STUHL wird von der Firma ScheBo für knapp 30 € als
"IGeL"*-Leistung zur "Darmkrebsvorsorge" ab dem 35. (!) Lebensjahr angeboten.8,9 Der Test beruht darauf, dass Tumorzellen eine
gegenüber normalen Zellen veränderte Pyruvatkinase ("Tumor-M2-Pyruvatkinase") exprimieren. Erhöhte Konzentrationen des Enzyms im
Stuhl, das mit Hilfe des Antikörpertests (ELISA) nachgewiesen werden kann, sollen auf das Vorliegen eines Dickdarmtumors hinweisen. Angesichts der
völlig unzureichenden Datenlage wird der Test von den gesetzlichen Krankenkassen zurecht nicht erstattet: Studien, die untersuchen, wie gut er bei
Menschen ohne Symptome - also im Rahmen des Screenings - zwischen Kranken und Gesunden unterscheiden kann, liegen nicht vor. Vergleiche der Tumor-M2-
Pyruvatkinase-Konzentration im Stuhl von Gesunden mit der von Patienten, bei denen ein kolorektales Karzinom bereits bekannt ist,10,11
überschätzen die Qualität von TUMOR-M2-PK als Screeningtest. Die Angaben der Firma zur Sensitivität (85%) und Spezifität (83%) des
Stuhltests12 beruhen - soweit wir sehen - ausschließlich auf vom Design her unzureichenden und überwiegend unveröffentlichten Studien.
In den veröffentlichten Arbeiten lassen sich die Ergebnisse zudem nicht nachvollziehen. In einer aktuellen firmenunabhängigen Studie mit 232 Patienten,
die zur Früherkennung oder zur Abklärung gastrointestinaler Beschwerden koloskopiert werden, schneidet der M2-PK-Test bei der Vorhersage eines
kolorektalen Karzinoms nicht besser ab als der HAEMOCCULT-Test.13 Zum klinischen Nutzen der Darmkrebsfrüherkennung mit TUMOR-M2-PK - also
zum Einfluss auf Morbidität und Mortalität - liegen überhaupt keine Daten vor.
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IGeL = Individuelle Gesundheits-Leistung
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Der als IGeL-Leistung zur "Darmkrebsvorsorge" angebotene TUMOR-M2-PK beruht auf dem Nachweis eines Enzyms des Tumorstoffwechsels im
Stuhl.
Valide Daten zur Qualität des Tests in der Früherkennung von Darmkrebs
liegen nicht vor. Der klinische Nutzen der Methode ist nicht belegt.
Ein Vorteil gegenüber dem Test auf okkultes Blut im Stuhl (HAEMOCCULT),
für den als einzigen Screening-Test eine geringfügige Senkung der Darmkrebsmortalität belegt ist, ist nicht nachgewiesen.
Wir raten von dem teuren und unzureichend validierten Test ab.
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| | | (M = Metaanalyse)
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M | 1 | TOWLER,
B.P. et al.: Screening for colorectal cancer using the faecal occult blood test, Hemoccult The COCHRANE Database of Systematic Reviews 2004, Issue 2; first
published online: 27. April 1998 |
| | 2 | McLEOD, R.S. et al.: Can. J. Gastroenterol.
2001; 15: 647-60 |
| | 3 | MÜHLHAUSER, I., STECKELBERG,
A.: Darmkrebs Früherkennung:
http://www2.uni-hamburg.de/~fc1i046/upload/CRC_Broschuere_ as_final.pd |
| | 4 | MÜLLER, R., Epidemiologisches Krebsregister
Saarland: persönliche Mitteilung vom 24. Febr. 2005 |
| | 5 | RANSOHOFF, D.F., LANG, C.A.: Ann.
Intern. Med. 1997; 126: 811-22 |
| | 6 | ANDERSON, M.L. et al.: Am. J.
Gastroenterol. 2000; 95: 3418-22 |
| | 7 | VIIALA, C.H. et al.: Intern. Med. J. 2003;
33: 355-9 |
| | 8 | ScheBo Biotech AG: Pressemitteilung vom
26. Juni 2003 |
| | 9 | ScheBo Biotech AG: Patienteninformation,
undatiert |
| | 10 | HARDT, P.D. et al.: Anticancer Research
2003; 23: 851-4
|
| | 11 | HARDT, P.D. et al.: Brit. J. Cancer 2004;
91: 980-4 |
| | 12 | ScheBo Biotech AG: Schreiben vom 2.
Juni 2004 |
| | 13 | NAUMANN, M. et al.: Dtsch. Med.
Wochenschr. 2004; 129: 1806-7 |
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