"DARMSANIERUNG" BEI URTIKARIA? |
Im Internet entdecke ich auf der Seite www.urtikaria.de eine massive Promotion einer biologischen "darmsanierenden" Therapie
für Urtikaria einer Urtikaria Gesellschaft, die einige Ordinarien umfasst. Hier wird eigentlich überall auf die Ergebnisse einer doppelblinden
plazebokontrollierten Studie der TU München hingewiesen, nach der diese Behandlung bei 73% der Patienten einen sehr guten Therapieerfolg erziele.
Wäre es Ihnen möglich, zu dieser Studie Stellung zu nehmen?
Dr. med. T. WOLLERSHEIM (Facharzt f. Innere Medizin u. Gastroenterol.)
D-50668 Köln
Interessenkonflikt: keiner
An der als Beleg für den Nutzen einer "biologischen Urtikaria-Therapie" angeführten randomisierten plazebokontrollierten
Doppelblindstudie haben 39 Patienten mit chronisch-idiopathischer Urtikaria teilgenommen, bei denen gleichzeitig eine "Dysbiose" vorliegen sollte. Wie
diese definiert und diagnostiziert wurde, bleibt offen. Alle Patienten erhalten zunächst Nystatin (MORONAL u.a., keine Dosisangabe) zur "Behandlung der
Darmmykose", auch wenn kein Pilzbefall des Darms nachgewiesen ist. Anschließend sollen verschiedene Zubereitungen der Firma Pascoe in drei Stufen
über insgesamt zwölf Wochen die "pathogene anaerobe Darmflora" reduzieren, ein physiologisches Dünndarmmilieu schaffen und dieses
stabilisieren.1 Von der geplanten Studienmedikation wird allerdings "unbeabsichtigt"1 abgewichen, offenbar wurden bei der Vielzahl der
einzunehmenden Mittel einige vergessen. Primärer Endpunkt ist "die Reduktion der Einnahmefrequenz der Antihistaminika".1 Methodisch ist
die Studie absolut unzureichend: Angaben zum Randomisierungsverfahren fehlen, Basisdaten der Teilnehmer werden nur bruchstückhaft mitgeteilt
(Studiengruppen sollen "homogen", Begleitmedikation und -erkrankungen "ähnlich" sein u.a.). Mehrfach wird hervorgehoben, dass
"das Allgemeinbefinden vor Therapiebeginn für die Plazebogruppe deutlich besser eingeschätzt wurde als für die Verumgruppe".1
Dies werten wir als Hinweis auf eine fehlgeschlagene Randomisierung. Auch hinsichtlich des "summarischen wöchentlichen Antihistaminika-
Verbrauchs", angegeben als Gesamtzahl der Tabletten pro Woche, unterscheiden sich die Gruppen eingangs. Die wegen der vergessenen
"Darmsymbionten" als "leicht modifizierte Form der Symbioselenkung" bezeichnete Behandlung soll die Häufigkeit der Einnahme von
Antihistaminika statistisch signifikant senken. Dieses Ergebnis bleibt auch deshalb ohne Aussagekraft, weil neben den oben erwähnten methodischen
Unzulänglichkeiten Angaben darüber fehlen, wie viele Patienten eingangs überhaupt Antiallergika eingenommen haben und in welcher
Dosis.
Die Urtikaria Gesellschaft, die laut Vereinssatzung "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke" verfolgt, empfiehlt auf ihren
Internetseiten ausschließlich die "biologische Urtikaria-Therapie" der Firma Pascoe. Adresse des Vereins, ihres Vizepräsidenten und der Pascoe
GmbH sind identisch.2 Auf unser Schreiben an die Firma mit der Bitte um Überlassung der Studie antwortet zunächst nur die Urtikaria-
Gesellschaft3 mit Zusendung einer Einverständniserklärung, Referenzpraxis zu werden, sowie von Vordrucken für einen Antrag auf
Kostenübernahme an die zuständige Krankenkasse und einer Vereinbarung über gewünschte Privatbehandlung eines GKV-Versicherten.
Für die Arzneimittelkosten sind gemäß einer beigefügten Aufstellung 248,97 € aufzuwenden. Die Einstufung des beim Hersteller
angesiedelten Vereins als "gemeinnützig" bedarf dringend der Überprüfung. Wir erkennen nur "Pascoe-Nützigkeit", -
Red.
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