JUNGBRUNNEN TESTOSTERON?
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"Neue Ansätze in der Therapie der Hormonsubstitution des Mannes; Erschließen von zusätzlichen Igelleistungen." Mit dieser
Ankündigung wird für eine "Gesprächsrunde im kleinen Kollegenkreis" geworben.1 Veranstaltungen dieser Art sollen wohl das
Indikationsspektrum von Testosteron in den Lifestyle-Bereich ausweiten. In den USA trägt diese Strategie Früchte: Dort nahm die Zahl der
Verschreibungen allein im Jahr 2002 um ca. 30% gegenüber dem Vorjahr zu, offenbar auf Grund einer wachsenden Zahl von Männern, die sich von
Testosteron eine Verzögerung von Alterungsprozessen erhoffen.2 Auch hierzulande zielt das Marketing mit Slogans wie "gemessenes Alter: 58,
gefühltes Alter: 48"3 auf die Verwendung von Testosteron als Verjüngungsmittel. Versprochen werden bessere Leistungsfähigkeit,
gesteigertes sexuelles Verlangen, zunehmende Muskelmasse und abnehmendes Körperfett sowie "Abnahme der unvermittelten
Schweißausbrüche".3 Zugelassene Indikation für Testosteron ist der Hypogonadismus mit nachgewiesenem Hormonmangel. Niedrige
Testosteronspiegel im höheren Alter, verbunden mit diffusen Altersbeschwerden, werden im Sinne des "Disease mongering" (a-t 2002; 33: 71-2) zunehmend als Indikation propagiert ("Altershypogonadismus").4 Eine Abgrenzung
von normalen Alterserscheinungen ist jedoch kaum möglich.
Die Folgen der Indikationsausweitung sind nicht absehbar: Zwar finden sich bei einer Datenbankrecherche über 50 plazebokontrollierte Studien zum Gebrauch
von Testosteron, davon 312 bei Männern über 65 Jahren. Diese sind jedoch mit maximal 108 Patienten und einer Dauer von zumeist unter sechs
Monaten unzureichend, um Nutzen und Risiken, etwa die Auslösung oder Wachstumsbeschleunigung von Prostatakarzinomen, beurteilen zu können. Zur
Abschätzung der Risiken sind Langzeitstudien über mindestens drei bis fünf Jahre und mit mehreren Tausend Patienten notwendig.2 Vor der
breiteren Anwendung von Androgenen bei Männern ist zu warnen. Das ergibt sich aus der Erfahrung mit der Hormontherapie bei Frauen im Klimakterium, die
jahrzehntelang unter Bezug auf Fall-Kontroll- und Kohortenstudien sowie kleineren randomisierten Studien zu Surrogatparametern propagiert wurde. Die Nutzen-
Schaden-Bilanz dieses "unkontrollierten Feldversuches" hat sich spätestens mit der WHI*-Studie als eindeutig negativ erwiesen (a-t 2002; 33: 81-3).
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