BRUSTKREBS UNTER HORMONEN: HÄUFIGER UND WEITER FORTGESCHRITTEN |
Der Verdacht, dass die Langzeiteinnahme von Hormonen nach den Wechseljahren das Brustkrebsrisiko steigert, wurde lange vor der Publikation der
ersten randomisierten Primärpräventionsstudie WHI* (a-t 2002; 33: 81-3) durch Beobachtungsstudien
nahegelegt (vgl. a-t 1995; Nr. 4: 37-44; a-t 1997; Nr. 11: 118).1
Den epidemiologischen Untersuchungen zufolge sollten Mammakarzinome unter Hormoneinnahme jedoch eine bessere Prognose haben. Dieser Eindruck lässt
sich nicht mehr halten. Im Gegenteil: Wie eine jetzt publizierte Nachauswertung der WHI-Studie zeigt, sind die Tumoren, die unter Einnahme von täglich 0,625
mg konjugierten Östrogenen plus 2,5 mg Medroxyprogesteronazetat (CLIMOPAX) entdeckt werden, bei Diagnose signifikant weiter fortgeschritten als diejenigen
unter Plazebo. Sie sind größer (durchschnittlich 1,7 cm vs. 1,5 cm), und regionale Lymphknoten sind mit 25,9% versus 15,8% deutlich häufiger
befallen. Die histologischen Charakteristika und der Differenzierungsgrad unterscheiden sich dagegen nicht, ebensowenig der Anteil Hormonrezeptor-positiver
Tumoren an der Gesamtzahl mit bekanntem Status.2
Der zeitliche Verlauf der Brustkrebsdiagnosen in den beiden Vergleichsgruppen spricht dafür, dass die Erkrankung unter Hormoneinnahme verzögert
festgestellt wird: In den ersten drei Jahren sind Brustkrebsdiagnosen in der Verumgruppe seltener, im vierten Jahr in beiden Gruppen gleich häufig und
anschließend unter Hormonen zunehmend häufiger. Vermutet wird, dass sich die Diagnose verzögert, weil Brustkrebs unter Hormoneinnahme
radiologisch schlechter zu erfassen ist.2 Eine herabgesetzte Sensitivität und Spezifität der Mammographie durch die hormonbedingte höhere
Strahlendichte des Brustgewebes ist mehrfach beschrieben worden (a-t 2000; 31: 22-3).3,4 Demnach
steigern Hormone nicht nur das Brustkrebsrisiko, sondern verhindern gleichzeitig die frühe Diagnose.2,5
Ein weiterer beunruhigender Befund der WHI-Studie ist die deutlich höhere Zahl auffälliger Mammogramme unter Hormonen. Das Studienprotokoll sah vor
Beginn und anschließend jährlich für alle Frauen ein Mammographiescreening vor. Die Häufigkeit verdächtiger Röntgenbefunde der
Brust ist bereits nach dem ersten Einnahmejahr mit 9,4% vs. 5,4% unter Hormonen signifikant erhöht. Insgesamt haben in der Hormongruppe 31,5% der Frauen
mindestens ein auffälliges Mammogramm im Vergleich zu 21,2% unter Plazebo. Angesichts der erheblichen psychischen Belastungen durch verdächtige
Mammographiebefunde und der Notwendigkeit weiterer, auch invasiver Abklärungen ist auch diese Folge der Hormoneinnahme als schwere
unerwünschte Wirkung einzustufen.2
Nach Erkenntnissen aus der WHI-Studie kommt Brustkrebs unter
Langzeiteinnahme von Östrogenen plus Gestagen nach den Wechseljahren nicht nur signifikant häufiger vor, er ist auch bei Diagnose bereits deutlich
weiter fortgeschritten.
Hormone stimulieren danach das Wachstum von Brustkrebs und verzögern
gleichzeitig seine Diagnose, vermutlich wegen der höheren Strahlendichte des Brustgewebes unter Hormoneinnahme.
Anders als bisher angenommen dürften Mammakarzinome unter
Hormoneinnahme somit eine schlechtere Prognose haben als Brustkrebs bei Frauen ohne Hormoneinnahme.
Die Zahl auffälliger Mammographien ist bereits im ersten Jahr der
Hormoneinnahme gegenüber Nichteinnahme deutlich erhöht. Angesichts der beträchtlichen Folgen verdächtiger Mammographiebefunde ist
auch dies eine schwerwiegende unerwünschte Wirkung der Hormontherapie.
|
 |
| © 2003 arznei-telegramm |