EVIDENZSTUFE 1A FÜR GLUKOSAMIN (DONA 200-S) BEI ARTHROSE? |
Heute wurde mir von einem Pharmareferenten ein Prospekt der Firma Opfermann übergeben.1 Nach den hier dargestellten Studien wäre
für das Präparat DONA 200-S eine Evidenz von Grad 1a nachgewiesen. Somit dürften gegen die Verordnung des Präparates bei Arthrosen keinerlei Bedenken
bestehen. Ich möchte Sie um eine Stellungnahme bitten.
Dr. A. KIRCHER (Facharzt für Innere Medizin)
D-36129 Gersfeld/Rhön
Interessenkonflikt: keiner
Der Prospekt1 nimmt Bezug auf ein COCHRANE-Review: In diese 1999 fertig gestellte und seither nicht aktualisierte systematische Übersicht zum
Nutzen von Glukosamin (DONA 200-S) bei Arthrose werden zwölf randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen.2 Von diesen haben acht3-10
auch nach Einschätzung der Autoren des Reviews zum Teil gravierende Qualitätsmängel. Im vollständigen Text werden die
Qualitätsmängel zwar diskutiert. Dies bleibt aber ohne Folgen für die Metaanalyse. Mehr noch: Im Abstract* fallen die Bedenken völlig unter den
Tisch. Hier wird nur das positive Ergebnis der Übersicht referiert, dagegen fehlen jegliche Informationen über das zu Grunde liegende problematische
Ausgangsmaterial.
Die Studie mit den höchsten Qualitäts-Scores ist ein unveröffentlichtes Manuskript, das bei Aufnahme in das COCHRANE-Review angeblich
bereits "zur Publikation eingereicht" war. Seither sind dreieinhalb Jahre vergangen, ohne dass die Arbeit veröffentlicht vorliegt. Als größte
Studie mit 319 Patienten hat sie großen Einfluss auf die Ergebnisse. In praktisch allen Auswertungen zeigt sie zudem den stärksten Effekt. Wie bei der
Mehrzahl der ausgewerteten Studien ist auch an dieser der italienische Glukosamin-Hersteller Rotta beteiligt.2 Wir halten es für unannehmbar, eine
systematische Übersicht auf eine seit mehreren Jahren "zur Publikation eingereichte", aber immer noch unveröffentlichte - mithin für
niemanden überprüfbare - Studie zu stützen. Auf unsere Kritik, die wir auch offiziell als Kommentar zum Review auf der Homepage der
COCHRANE Collaboration geäußert haben, erhielten wir bis Drucklegung keine Reaktion.
Von den drei veröffentlichten, im Review ausgewerteten Studien mit akzeptabler Qualität vergleichen zwei Glukosamin mit Plazebo bei Arthrose des
Kniegelenks. Eine kommt zu positivem Ergebnis,11 die zweite lässt keinen Effekt erkennen.12 Bei der dritten handelt es sich um einen auf
Überlegenheit angelegten Vergleich mit Ibuprofen (BRUFEN u.a.) bei Kniearthrose. Der ausbleibende signifikante Unterschied wird als Gleichwertigkeit
interpretiert.13 Dieser Umkehrschluss ist aber unzulässig, weil er mit deutlich größerer Unsicherheit als mit der allgemein akzeptierten
Irrtumswahrscheinlichkeit von 5% behaftet ist.
Seit Erscheinen der COCHRANE-Übersicht sind zwei weitere plazebokontrollierte "Positiv"-Studien erschienen, die aber primär auf einen in
seiner Aussagekraft zweifelhaften Surrogatparameter (Gelenkspaltbreite) ausgelegt sind (a-t 2001; 32: 17-8). An beiden
Studien ist wiederum der Glukosamin-Hersteller Rotta beteiligt.14,15 Zwei neuere, unabhängig von diesem Hersteller durchgeführte Studien
ergeben dagegen keinen Vorteil von Glukosamin gegenüber Plazebo.16,17
Unseres Erachtens wird durch das COCHRANE-Review zur Arthrosetherapie mit Glukosamin (DONA 200-S) fragwürdige Evidenz ungerechtfertigterweise in
Evidenz der Stufe 1a umgemünzt. Dies ist ganz im Sinne des Anbieters Opfermann. Die Firma benutzt das COCHRANE-Review einschließlich einer
großformatigen deutschen Übersetzung des Abstracts für einen Werbeprospekt.1
Wieder einmal wird eine Übersicht der COCHRANE Collaboration, die als unabhängig angesehen wird, vom Marketing missbraucht und ist vielleicht sogar
für das Marketing verfasst worden (vgl. a-t 2002; 33: 26). Ein Interessenkonflikt wird in dem Review nicht
angegeben. COCHRANE-intern ist aber inzwischen der Verdacht auf einen komplexen Interessenkonflikt aufgekommen.18
|
| © 2003 arznei-telegramm |