Anwendungseinschränkungen für L-Tryptophan-haltige Infusionslösungen: Das Bundesgesundheitsamt (BGA) vermag nicht
länger auszuschließen, daß Tryptophan-haltige Infusionslösungen, wie sie zur kurzfristigen Aminosäure-Substitution oder zur parenteralen
Ernährung verwendet werden, das Risiko eines Eosinophilie-Myalgie-Syndroms bergen (vgl. a-t 12 [1989], 116). Das BGA beabsichtigt, die Anwendung L-
Tryptophan-haltiger Infusionslösungen auf Erkrankungen zu beschränken, bei denen eine medikamentöse Aminosäurenzufuhr medizinisch
zwingend erforderlich und eine enterale Gabe nicht möglich ist (Bundesgesundheitsblatt 4/91). Selbst niedrig dosierte L-Tryptophan-haltige Arzneimittel mit
Tagesdosen von 23 mg werden mit der Entstehung eines Eosinophilie-Myalgie-Syndroms in Verbindung gebracht. Die Erkrankung äußert sich in
Veränderungen des Blutbildes im Sinne einer Eosinophilie und durch schwere Muskel- und Gelenkschmerzen, Ödeme, Fieber, Hautreaktionen und
Atemnot. Klinisch entspricht das Krankheitsbild aber dem einer bakteriellen Sepsis und ist schwer zu diagnostizieren. Aus diesen Gründen ordnete das BGA im
September 1990 für alle L-Tryptophan-Enteralia das Ruhen der Zulassung an. Nach unserer Einschätzung sind in der Bundesrepublik etwa 500 Personen
von Schädigungen durch L-Tryptophan betroffen. Bei etwa zwei Dritteln der Betroffenen schreitet die Erkrankung unaufhaltsam fort. Kortikosteroide und
Immunsuppressiva haben nicht oder nur kurzzeitig den gewünschten Erfolg. Bei der Mehrzahl der Betroffenen tritt ein invalidisierender Verlauf mit
Berufsunfähigkeit ein. Die Allianz-Versicherung leistet nur geringfügige Abfindungszahlungen im Rahmen der Produkthaftpflicht und weist Ansprüche
aus Verschuldenshaftung (Schmerzensgeld etc.) zurück. In von uns unterstützten Musterprozessen soll die Frage der Verschuldenshaftung geklärt
werden (ati d).
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