CAPECITABIN (XELODA) GEGEN DARMKREBS |
Seit März gibt es mit Capecitabin (XELODA) erstmals ein orales Zytostatikum zur palliativen Behandlung des Kolorektalkarzinoms. Chemotherapie
scheint das Leben der Patienten mit fortgeschrittenem Darmkrebs geringfügig zu verlängern. Wie sie die Lebensqualität beeinflusst, bleibt
offen.1 Ein allgemein anerkanntes Standardschema fehlt. Meist werden Kombinationsregime mit 5-Fluorouracil (5-FU; 5-FU LEDERLE u.a.) verwendet,
häufig 5-FU plus Folinsäure (LEUCOVORIN u.a.).
EIGENSCHAFTEN: Das Prodrug Capecitabin wird in drei Schritten in wirksames 5-FU überführt. Das Enzym für die
entscheidende Aktivierungsreaktion kommt offenbar vermehrt im Tumorgewebe vor. Dort soll sich 5-FU selektiv anreichern und so - bei weniger Störeffekten -
gezielter wirken.
WIRKSAMKEIT: Die beiden zulassungsrelevanten offenen Phase-III-Studien sind nur als Kongressberichte veröffentlicht.2,3 Insgesamt
603 Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Kolorektalkarzinom nehmen über jeweils zwei von drei Wochen täglich 2.510 mg Capecitabin/m2
Körperoberfläche (KOF) ein.4 Die 604 Patienten der Kontrollgruppe erhalten alle 28 Tage an 5 aufeinander folgenden Tagen 5-FU plus niedrig
dosierte Folinsäure als Bolus/Kurzinfusion (Mayo-Regime). Capecitabin scheint sich hinsichtlich der Überlebenszeit (400 Tage), der Zeit bis zum
Fortschreiten der Erkrankung (140 bis 148 Tage) und der Lebensqualität von der Kontrolltherapie nicht zu unterscheiden. Unklar bleibt, ob sich das weiche
Kriterium der höheren Tumor-Ansprechrate unter Capecitabin (22% vs. 13%) als klinischer Nutzen für die Patienten niederschlägt. Nach den
Erfahrungen einer Phase-II-Studie verbietet sich die Kombination von Capecitabin mit Folinsäure auf Grund deutlich gesteigerter Toxizität ohne
Wirkvorteil.5
VERTRÄGLICHKEIT: Art und Schwere der Störwirkungen ähneln denen von 5-FU/Folinsäure bei Dauerinfusion. So entwickelt
sich bei jedem Zweiten unter Capecitabin das Hand-Fuß-Syndrom, eine Hautschädigung, die neben Schwellung, Rötung und Dysästhesien bei
jedem Sechsten auch mit stark schmerzhafter Schuppung, Ulzeration und Blasenbildung an Handflächen und Fußsohlen einhergeht. Sehr häufig
kommt es zu Durchfällen (48%, schwerwiegend bei 13%), Übelkeit (38%), Stomatitis (24%), Erbrechen (23%), Appetitlosigkeit (10%) und Abgeschlagenheit
(21%). Die klinische Bedeutung isolierter Bilirubinerhöhungen bei 23% der Patienten ist ungeklärt.6
Im Vergleich zum Mayo-Regime sind schwere Hand-Fuß-Syndrome unter Capecitabin deutlich häufiger (0,5% vs. 17%), schwerwiegende
Mundschleimhautentzündungen (15% vs. 2%) und Neutropenien (7% vs. 0,7%) aber seltener. Ein höheres kardiotoxisches Potenzial von Capecitabin
lässt sich nicht ausschließen. Je 1% der Studienteilnehmer beider Gruppen sterben möglicherweise an den Folgen der Behandlung.4
KOSTEN: Die Neuerung verteuert die palliative Behandlung des fortgeschrittenen Kolorektalkarzinoms auf das Vier- bis Fünffache, in
Österreich sogar auf das Sechs- bis Elffache. Bei täglich 4 g Capecitabin über zwei von drei Wochen sind vierwöchentlich 1.500 DM
aufzuwenden im Vergleich zu 360 DM (5-FU LEDERLE + LEUCOVORIN) bzw. 320 DM (FLUOROURACIL GRY + CALCIUMFOLINAT HEXAL), wenn nach dem
Mayo-Regime innerhalb von vier Wochen fünf Tage lang mit 680 mg/Tag 5-FU plus 30 mg/ Tag Folinsäure behandelt wird.
FAZIT: Variante ohne besonderen Stellenwert: Für das perorale Zytostatikum Capecitabin (XELODA) sind keine klinisch relevanten Wirk- oder
Verträglichkeitsvorteile gegenüber parenteralem 5-FU/Folinsäure (5-FU LEDERLE u.a./LEUCOVORIN u.a.) bei fortgeschrittenem Kolorektalkarzinom
belegt. Die von der Firma betonte selektive Anreicherung im Tumor spiegelt sich somit nicht als Nutzen für die Patienten wider. Die orale Anwendbarkeit scheint
sogar mit 5-FU-atypischen Störwirkungen verbunden zu sein (z.B. Hyperbilirubinämie).
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