Herzinfarktprophylaxe mit Antibiotika? Seit mehreren Jahren verdichten sich Hinweise, dass der Artherosklerose auch Infektionen zu Grunde
liegen könnten (a-t 8 [1997], 81), vor allem durch Chlamydia pneumoniae. Südamerikanische Dermatologen
beobachteten bereits vor über 50 Jahren einen Zusammenhang zwischen Chlamydien-Infektion und Atherosklerose. Die vor allem auf spanisch
veröffentlichten Ergebnisse gerieten jedoch in Vergessenheit ("Turm-zu-Babel"-Bias). Nach einer aktuellen Fall-Kontroll-Studie mit mehr als 3.000
Herzinfarkt-Patienten (74% Männer) und über 13.000 Kontrollpersonen soll das Risiko eines Erstinfarkts in den drei Jahren nach Einnahme von
Tetrazyklinen oder Gyrasehemmern um 30% bzw. 55% niedriger liegen. Ein "präventiver" Effekt von Makroliden, Sulfonamiden, Penizillinen und
Cephalosporinen lässt sich nicht erkennen. Während die Ergebnisse zu Tetrazyklinen, Sulfonamiden und Betalaktamen mit der Empfindlichkeit der
Chlamydien gegen diese Antibiotika korrelieren, trifft das auf Makrolide nicht zu. Meist (zu 75%) wurde Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) eingenommen. Die Autoren
erklären das Ergebnis mit dem unzureichenden Effekt des älteren Makrolids gegen den Keim sowie mit Unterdosierung (MEIER, C. R. et al.: J. Am. Med.
Ass. 281 [1999], 427/ati d). Die Erklärung überzeugt unseres Erachtens wenig: In vitro mag Erythromycin den neueren Abkömmlingen unterlegen
sein, es schneidet aber besser ab als Gyrasehemmer und ist klinisch erste Wahl bei atypischen Pneumonien (a-t 11 [1997],
113). Die Studie verdeutlicht unseres Erachtens vor allem den Bedarf an geeigneten, randomisierten Interventionsstudien zur Klärung der
Infektionshypothese des Herzinfarkts bzw. des Nutzens von Antibiotika. Eine Pilotstudie mit Roxithromycin (RULID), deren Zwischenergebnisse vorzeitig
veröffentlicht wurden, lässt nach sechsmonatiger Nachbeobachtung hinsichtlich rezidivierender Myokardischämie, Herzinfarktrate und Mortalität
keinen signifikanten Unterschied zu Plazebo mehr erkennen (GURFINKEL, E. et al.: Eur. Heart J. 20 [1999], 121). Es bleiben die etablierten Interventionen zur
Vorbeugung des ersten Herzinfarkts: Senkung von Blutdruck und Lipiden sowie Nikotinverzicht, -Red.
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