KALZIUMANTAGONISTEN UND BRUSTKREBS |
Vor einem Jahr berichteten wir erstmals über Hinweise auf kanzerogene Eigenschaften von Kalziumkanalblockern (a-t 9 [1996], 85). Neue Daten erhärten jetzt den Verdacht: In einer prospektiven Untersuchung mit 3.200 über
65-jährigen Frauen erkranken Anwenderinnen dieser Stoffgruppe mehr als doppelt so häufig an Brustkrebs wie Frauen, die keine Kalziumantagonisten
einnehmen. Für Betablocker, Diuretika und ACE-Hemmer lässt sich hingegen keine erhöhte Gefährdung nachweisen. Bei gleichzeitigem
Gebrauch von Östrogenen, die langfristig ebenfalls mit vermehrten Brustkrebserkrankungen in Verbindung gebracht werden (a-t 11 [1997], 118), steigt das Risiko auf das Vierfache. Frauen, die die Hormone zusammen mit kurz wirkenden
Kalziumantagonisten einnehmen, sind sogar achtmal mehr gefährdet.1
Kalzium spielt eine wichtige Rolle beim programmierten Zelltod (Apoptose) sowie bei der Proliferation und Differenzierung von Zellen.1,2 Hemmung des
Kalziumeinstroms könnte in bestimmten Geweben den Untergang DNA-veränderter Zellen verhindern und die Zelldifferenzierung blockieren. Zudem
stimulieren Kalziumantagonisten in mehreren Studien das Tumorwachstum. Auch direkte hormonelle Effekte sind denkbar: Bei Männern können sie das
Wachstum der Brustdrüse fördern (Gynäkomastie, a-t 3 [1988], 31).1
Die Daten ergänzen Beobachtungen aus anderen epidemiologischen Studien: Unter verschiedenen kurz wirkenden Kalziumantagonisten kommen
gehäuft Krebserkrankungen von Gebärmutter und Adnexen, Magen, Dickdarm u.a. vor.2 Eine Untersuchung lässt ein gesteigertes
Kolonkarzinom-Risiko für Verapamil (ISOPTIN u.a.) erkennen.3 Da kurz wirksame Kalziumantagonisten zudem die Gefahr erhöhen, an den Folgen
koronarer Herzkrankheit zu sterben bzw. bei Bluthochdruck einen Herzinfarkt zu erleiden (vgl. a-t 10 [1995], 97),
haben sie unseres Erachtens für die Behandlung des Bluthochdrucks und der Angina pectoris nur noch Reservestatus.
1 | FITZPATRICK, A. L. et al.: Cancer 80 (1997), 1438 |
2 | PAHOR, M. et al.: Lancet 348 (1996), 493 |
3 | HARDELL, L. et al.: Lancet 348 (1996), 542 |
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