BLUTSCHÄDEN DURCH CHININ (IN LIMPTAR N, TOGAL U.A.) |
Chinin dient seit Jahrzehnten zur Behandlung der Malaria (CHININUM HYDROCHLORICUM u.a.) und findet Verwendung gegen nächtliche
Wadenkrämpfe (LIMPTAR N u.a., a-t 6 [1995], 60) sowie bei Schmerzen, Fieber und
Erkältungskrankheiten (in TOGAL). Das rezeptfrei erhältliche Hauptalkaloid der Chinarinde kann lebensbedrohliche immunallergische Blutschäden
auslösen. Vermutet wird ein Antikörpertyp, der in Anwesenheit von Chinin an bestimmte Glykoproteine auf Blutzellen bindet.1
In Australien erkranken vier Personen nach Einnahme des Alkaloids gegen Wadenkrämpfe an rasch einsetzender intravasaler Hämolyse und
dialysepflichtigem akutem Nierenversagen (hämolytisch-urämisches Syndrom). Zwei Betroffene entwickeln eine Verbrauchskoagulopathie, einer
zusätzlich eine retroperitoneale Blutung.2
Thrombozytopenien mit und ohne Purpura sowie tödliche Hämolysen und Gerinnungsstörungen kommen auch nach Genuß chininhaltiger
"Bitter"-Getränke vor: Eine 23jährige Medizinstudentin klagt wiederholt über kleinfleckige Hauteinblutungen. Labortests ergeben jeweils
Thrombozytenwerte um 20.000/µl.
Umfangreiche Untersuchungen klären die Ursache nicht. Schließlich stellt sich heraus, daß die Episoden immer im Anschluß an Examensfeiern
auftreten, bei denen sie regelmäßig Bitter-Lemon-haltige Cocktails trinkt. Eine Reexposition verläuft positiv.3
Ein praktischer Arzt berichtet über einen 70jährigen mit Schüttelfrost und intravasaler Hämolyse, der zwei Stunden zuvor
erstmalig die Chinin-Theophyllin-Kombination LIMPTAR eingenommen hat (NETZWERK-Bericht 4999). Eine 66jährige aus dem Nürnberger Raum
behandelt ihre gelegentlichen Kopfschmerzen mit TOGAL (Azetylsalizylsäure, Chinin und Lithium). Darunter fällt ihre Blutplättchenzahl bis auf 7.000/(l
und steigt nach Absetzen wieder an (3177).
FAZIT: Lebensbedrohliche immunvermittelte Blutschäden stehen der Anwendung des Alkaloids Chinin bei wenig oder gar nicht gesicherten Indikationen
wie Muskelkrämpfen (in LIMPTAR N) oder Schmerzen und Erkältungskrankheiten (z.B. in TOGAL) entgegen. Bei der Anamnese ist auch der Genuß
chininhaltiger "Bitter"-Getränke zu berücksichtigen.
1 | PILLANS, P.: Prescr. Update, Ministry of Health, New Zealand, 6 (1994), 11 |
2 | Austral. Adv. Drug React. Bull. 15 (1996), 2 |
3 | HOFBAUER, L. C., A. E. HEUFELDER: Dtsch. med. Wschr. 121 (1996),
150 |
|
© 1996 arznei-telegramm |