MENINGITIS-PROPHYLAXE DURCH IMPFUNG |
Zur aktiven Immunisierung von Kindern ab dem 3. Lebensmonat gegen Haemophilus influenzae Typ b steht seit März 1990 HIB-VACCINOL
(Röhm-Pharma) zur Verfügung. Am 2. Juli 1990 wurde die Impfung in den Katalog der öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen
aufgenommen.
Haemophilus influenzae Typ b (Hib), ein gramnegatives Stäbchen, verursacht 30-50% der bakteriellen Meningitiden in der Bundesrepublik.
Jährlich sollen etwa 700 Kinder erkranken. Die Letalität liegt wahrscheinlich unter 5%, aber 25%* bis 30% der Erkrankten tragen bleibende Schäden
davon. Stärker gefährdet sind Kinder mit funktioneller oder anatomischer Asplenie, mit Immunsuppression oder mit zerebraler Vorschädigung. Das
Infektionsrisiko ist für Kleinkinder aus kinderreichen Familien bzw. im Kindergarten erhöht.1 Weitere Erkrankungen wie die oft lebensbedrohliche
akute Epiglottitis des Kleinkindes, Pneumonie, Osteomyelitis, Arthritis, Cellulitis und Sepsis können durch Hib verursacht werden.
* korrigiert im Jan. 2016, (vorher 5%)
Schon seit fünf Jahren sind in den USA Polysaccharid-Impfstoffe gegen das Kapselantigen von Hib erhältlich. Diese bieten jedoch den
besonders gefährdeten Kindern unter 18 Monaten keinen zuverlässigen Impfschutz.2 Versuche, die Immunogenität zu verbessern,
führten zur kovalenten Bindung des Polysaccharids an einen Proteinträger (Diphtherietoxoid). Diese sogenannten Konjugatvakzinen
wirken bereits bei jungen Säuglingen immunogen.3 Da Gedächtniszellen gebildet werden, kann der Impfschutz durch Booster-Injektion
verstärkt werden. Der Impfstoff enthält zwar Diphtherietoxoid, schützt jedoch nicht gegen Diphtherie.9 Eine Kombination mit Diphtherie-
Pertussis-Tetanus- (DPT), Masern-Mumps-Röteln- (M-M-R VAX, PLUSERIX) und oralen Polioimpfungen (ORAL-VIRELON u.a.) ist möglich.4
Entsprechende polivalente Impfstoffe, die auch die WHO fordert, stehen noch nicht zur Verfügung.
Die klinische Erprobung der Konjugatvakzine in Finnland an über 100.000 Kindern ergab eine Wirksamkeit zwischen 83% und
94%.9 Bei einer Teilgruppe von 50.000 Kindern traten nach 3 Impfungen 4 Hib-Erkrankungen in der Impfgruppe, aber 35 in der Kontrolle
auf.5
Die Verträglichkeit der Impfung wird als gut beurteilt. In Finnland wurden nur lokale Reaktionen und leichte Temperaturerhöhungen
beobachtet.6 Theoretisch ist jedoch mit toxischen oder anaphylaktischen Reaktionen zu rechnen. Überempfindlichkeitsreaktionen gegen das in der
Vakzine enthaltene Konservans Thiomersal sind bekannt.
Kosten-Nutzen-Analysen in den USA, wo die Inzidenz von Hib-Infektionen höher ist, bejahen den Nutzen selbst der alten Hib-
Polysaccharidvakzine.7 Kanadische Epidemiologen bezweifeln hingegen den Nutzen einer Massenimpfung. Sie empfehlen, auf Grundlage der jeweiligen
epidemiologischen Situation anhand von Kosten-Nutzen-Analysen zu entscheiden, ob bei niedriger Meningitisinzidenz die Impfung der Risikokinder
ausreicht.8 Die Kosten für die Impfung aller Kinder bis zum 5. Lebensjahr mit HIB-VACCINOL würden in der Bundesrepublik rund 100 Millionen
DM betragen. Der Hersteller beziffert die Ersparnis gegenüber den Kosten der Hib-Meningitis auf mindestens 57 Millionen DM.9
Die Firma Röhm-Pharma rät zu einer Grundimmunisierung im 4., 6. und 15. Monat in Verbindung mit der Diphtherie-Tetanus- und
Masern-Mumps-Röteln-Impfung. Vor dem 3. Lebensmonat können eventuell vorhandene mütterliche Antikörper den Erfolg der Impfung in Frage
stellen.12 Kinder über 18 Monate brauchen nur einmal geimpft zu werden. Möglicherweise fällt in der ersten Woche nach der Impfung der
Antikörpertiter ab, so daß empfohlen wird, exponierte Kinder nicht zu impfen.10,11 Nach vollendetem 5. Lebensjahr erübrigt sich die Impfung
wegen des dann geringen Risikos schwerer Hib-Erkrankungen. Der Impfschutz hält mindestens drei Jahre an.12
FAZIT: Die gut verträgliche und mit Schutzraten zwischen 83% und 94% effektive Impfung (HIB-VACCINOL) gegen Haemophilus influenzae Typ b-
Erkrankungen ist bei Säuglingen ab dem 3. Monat angezeigt. Nach dem 5. Lebensjahr erübrigt sich die Impfung.
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