SCHWERE ZWISCHENFÄLLE
NACH PENTOSANPOLYSULFAT (SP 54 u. a.)
... in Frankreich vorerst vom Markt |
Außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete ließ ein Bielefelder Arzt das halbsynthetische Heparinoid pflanzlichen Ursprungs
Pentosanpolysulfat (PPS; SP 54 u.a.) einer pensionierten Lehrerin wegen einer Sehnenscheidenentzündung intravenös verabreichen. Danach tritt ein
Schlaganfall mit linksseitiger Lähmung ein. Das Landgericht Bielefeld konstatiert einen Behandlungsfehler, bei dem "in besonders hohem Maße"
gegen die ärztlichen Berufspflichten verstoßen worden ist. Der Arzt wurde erstinstanzlich zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 50.000 DM und zum
Ersatz der materiellen Schäden verurteilt (AZ 4 0 204/93, NETZWERK-Bericht 2460).
Auch in Frankreich werden Heparinoide mit PPS vielfach bei Phantasie-Indikationen eingesetzt. Dies veranlaßte die dortigen
Überwachungsbehörden, die Marktberechtigung des Heparinoids zu überprüfen.1 Ergebnis: "In Anbetracht der
Zwischenfälle, insbesondere Thrombozytopenien, die von so erheblicher Schwere und Häufigkeit sind", sowie des "ungünstigen
Nutzen-Risiko-Verhältnisses" spricht die Arzneimittelbehörde ein sofortiges Vertriebsverbot für PPS-haltige Arzneispezialitäten aus
zunächst befristet auf ein Jahr.2 Zubereitungen zur Peroralapplikation sind davon ebenfalls betroffen.
Fertigarzneimittel mit diesem Inhaltsstoff wurden in Deutschland 1963 u. a. zur Thrombosevorbeugung und Blutfettsenkung registriert und befinden sich noch heute
unüberprüft als fiktiv zugelassene Altlasten im Verkehr (z.B. FIBREZYM-Ampullen, SP 54 Ampullen und Tabletten, THROMBOCID-Gel u. a.). Die
beanspruchten Anwendungsgebiete umfassen auch Durchblutungsstörungen.3
Immunallergisch bedingte Thrombozytopenien mit schweren Komplikationen im Raum Nizza bildeten bereits 1986 Gegenstand einer Warnung vor Kreuzreaktionen
zwischen Heparin und PPS.4 Nur die frühe Kontrolle der Plättchenzahl und schnelles Absetzen des auslösenden Agens schützt vor
schwerwiegenden Zwischenfällen.
Eine von der deutschen Lizenzgeberfirma bene-Arzneimittel redigierte Auftragsstudie zur Gleichwertigkeit von PPS mit niedermolekularem Heparin (FRAGMIN) in der
Thromboembolie-Prophylaxe nach abdominal-chirurgischen Eingriffen wurde in einer ungarischen Klinik vorgenommen.5 Design, Umfang und Auswertung
der offenen Studie erlauben u. E. nicht, die einmal tägliche Gabe von 50 mg PPS als "ebenso sicher und wirksam wie die subkutane Injektion von einmal
täglich 16 mg des niedermolekularen Heparins" tierischer Herkunft zu bezeichnen. Abgesehen von Plazebo-kontrollierten Untersuchungen an Patienten
mit arterieller Verschlußkrankheit fehlen ausreichende Nutzenbelege für PPS.6 Die Substanz wurde von uns 1989 als entbehrlich und bedenklich
bewertet.7
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