|
In a-t 5 (1990), 50 wurde erneut auf die Gestoden-haltigen Mikropillen hingewiesen. Hier schreiben Sie, daß die
Bundesoberbehörde ein Stufenplanverfahren zur Beurteilung von Ovulationshemmereigenschaften eingeleitet hat. In diesem Zusammenhang wäre es
interessant festzustellen, wie das von Ihnen "bevorzugte" Präparat MARVELON von den Patientinnen vertragen wird.
Mir ist persönlich bekannt, daß im Raum Bielefeld 1989 zwei Todesfälle bei jungen Frauen aufgetreten sind, bei denen eine MARVELON-Einnahme
vorlag. Zudem gibt es dort einen weiteren Thrombosefall unter MARVELON. Die mir bekannten Ärzte haben die entsprechenden Fälle an die Firma
Organon weitergemeldet. Mir scheint jedoch, daß das Bundesgesundheitsamt hiervon nicht unterrichtet worden ist.
Mir erscheint es sehr wichtig darauf hinzuweisen, daß nicht nur die Gestoden-haltigen Mikropillen, sondern auch die übrigen sogenannten modernen
Ovulationshemmer dringend einer näheren Untersuchung unterzogen werden sollten.
Dr. med. M. VOSS, Frauenarzt
D-4970 Bad Oeynhausen
Für die vergleichende Beurteilung einer Gefährdung benötigt die Überwachungsbehörde alle verfügbaren Daten. Wir bitten den
Kollegen, Einzelheiten der ihm bekannt gewordenen thromboembolischen Erkrankungen unter MARVELON unserem NETZWERK DER GEGENSEITIGEN
INFORMATION zu übermitteln (z.B. in Form von Klinik-Epikrise / Sektionsbericht / Mitteilung auf Kurzfragebogen oder in freier Schriftform), damit diese Daten in
die Gesamtbetrachtung dem Vernehmen nach ist eine öffentliche Sachverständigenanhörung nach dem Stufenplan in Erwägung
einbezogen werden.
Nach der Diskussion über mögliche Risiken der Gestoden-haltigen Antikonzeptiva FEMOVAN und MINULET (Monitor / WDR vom 5. Juni 1990) stellt sich
die Frage nach der Beratung der Verwenderinnen dieser Mikropillen. Hierzu erhielten wir von Frau Dr. OSSMANN, Mitglied des Vorstandes der
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg,
folgende Stellungnahme:
MARVELON sollte nicht als alleinige Alternative in Betracht gezogen werden, da Desogestrel wie Gestoden ein neueres hochwirksames Gestagen
ist, als dessen Vorteil eine geringere Beeinflussung des HDL-Cholesterins in Anspruch genommen wird. Die älteren Gestagene wie Norethisteron und
Levonorgestrel haben androgene Restwirkungen, wenn auch gering ausgeprägt. Darauf wird der Abfall des HDL-Cholesterins bei den Verwenderinnen dieser
hormonalen Verhütungsmittel zurückgeführt. Allerdings ist offen, ob das erhöhte Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen bei
langjährigem Antikonzeptivagebrauch mit dem Effekt auf diese Laborparameter korreliert und ob dieses Risiko bei den neueren Gestagenen wie Desogestrel
tatsächlich reduziert ist. Da jedoch bei den älteren Gestagenen wie Norethisteron oder Levonorgestrel langjährige Erfahrungen vorliegen, bestehen
keine Bedenken gegen diese Substanzen, wenn die Effekte auf den Fettstoffwechsel wegen der noch herrschenden kontroversen Diskussion außer Betracht
bleiben. Es sollten jedoch niedrige Dosen angestrebt und ältere hochdosierte Präparate gemieden werden.
Da Wirkungen auf die Blutgerinnung dem Östrogenanteil der Kontrazeptiva zugeschrieben werden, kommen insbesondere für junge Frauen reine
Gestagenpräparate bevorzugt in Frage wie EXLUTONA, MICROLUT, MICRONOVUM, MIKRO-30 WYETH. Reine Gestagenpräparate verursachen
jedoch mit nicht unerheblicher Häufigkeit Durchbruchs- und Schmierblutungen, Veränderungen der Blutungsfrequenz und -stärke sowie
Brustbeschwerden. Nachteilig ist das Erfordernis, die Pille stets zum gleichen Zeitpunkt einzunehmen, da Abweichungen von mehr als 4 Stunden den Verlust der
antikonzeptiven Wirkung bedeuten können. Auch ist die antikonzeptionelle Sicherheit geringer, da die Ovulation nicht unterdrückt wird und 0,5% Versager
pro Jahr auftreten.
Als Östrogen/Gestagen-Kombination mit niedrig dosiertem Östrogenanteil (0,03 mg Ethinylestradiol) stehen die Präparate MICROGYNON,
NEORLEST und STEDIRIL-30 zur Verfügung. Niedrig dosiert sind auch (0,035 mg Ethinylestradiol) OVYSMEN und CILEST, wobei international für
CILEST breite Erfahrungen fehlen. Dreiphasenpräparate wie z. B. TRIQUILAR/TRINORDIOL haben ebenfalls einen niedrigen Östrogenanteil, werden
jedoch häufiger mit "Pillenversagern" in Verbindung gebracht.
Es existieren Hinweise, daß das Gestagen Gestoden den Abbau von Ethinylestradiol, einem weiteren Bestandteil von kontrazeptiv wirkenden
Hormonkombinationen, behindern kann. Zur Risikominderung kann die Anwendung von reinen Gestagenpräparaten versucht werden. Wenn diese infolge von
Störwirkungen und fraglicher Zuverlässigkeit der Einnahme nicht anwendbar sind, sollten Kombinationen mit niedrigem Östrogenanteil bevorzugt
werden
(-Red.).
|
© 1990 arznei-telegramm |